(ots) - Knapp acht Millionen TV-Zuschauer können sich
nicht irren. Oder doch? Keine Sendung im deutschen Fernsehen
polarisiert so stark wie »Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!«,
landläufig bekannt unter »Dschungelcamp«. Die umstrittene Show gilt
als letzter Quotengarant des Senders RTL, nachdem »Das Supertalent«
und »Deutschland sucht den Superstar« spürbar an Publikum eingebüßt
haben. Der Auftakt zur achten Staffel hätte kaum besser verlaufen
können, was Quoten, Marktanteil und das Konfliktpotenzial im
australischen Waldlager angeht.
Was macht das »Dschungelcamp« so erfolgreich? Natürlich
funktioniert dieses zum Teil heftig kritisierte TV-Format auch durch
Schaulust und Schadenfreude. Aber eben nicht nur. Die Einschaltquoten
sind so hoch, weil hier bildungsnahe Schichten mit einiger Gewissheit
einen Großteil der Zuschauerschaft stellen. Gerade Akademiker, die
das Phänomen »Dschungelcamp« durchschauen wollen und es dabei
abstrakt betrachten, fühlen sich unterhalten - und gefordert. Denn
die zum Teil brillanten Texte, die von den Moderatoren aufgesagt
werden, funktionieren oft nur, wenn man sprachlich und gedanklich auf
der Höhe ist. Nicht umsonst war die Sendung im Vorjahr für den
renommierten, durch und durch seriösen Grimme-Preis nominiert. Da
scheint eine Jury verstanden zu haben, dass dieses diskutable Format
den ganz normalen Fernseh- und Boulevardwahnsinn ad absurdum führt -
und sich selbst mit. So selbstironisch war nur Harald Schmidt zu
seinen besten Zeiten bei Sat1. Und alle Kopien sind gescheitert.
Laufende Schulden, die Sucht nach Aufmerksamkeit und die Hoffnung
auf ein bisschen Ruhm treiben nun seit zehn Jahren mehr oder weniger
bekannte Zeitgenossen in den Dschungel. Ihr Plan, im Camp ein Image
von sich zu verkaufen, ist stets zum Scheitern verurteilt. Ist es
menschenverachtend, wenn diese Möchtegernprominenten gegen Bezahlung
bei ekligen Aktionen mitmachen? Niemand muss das tun, um in unserem
Wohlfahrtsstaat zu überleben.
Wahrscheinlich stören sich die Kritiker der Sendung gar nicht an
den kulinarisch fragwürdigen Prüfungen, sondern an etwas anderem: Das
»Dschungelcamp« stellt das politisch korrekte Denken auf die Probe -
und bewusst infrage. Allein die Zusammenstellung der elfköpfigen
Gruppe muss auf Bedenkenträger wie eine Provokation wirken: zwei
dunkelhäutige und zwei homosexuelle Kandidaten, das schreit ja nach
Diskriminierung. Weit gefehlt: Ethnische Herkunft und sexuelle
Orientierung werden von den Insassen selbstbewusst vertreten.
Insofern löst die Sendung so manchen angespannten gesellschaftlichen
Diskurs.
Und wenn dann der Begriff »Ureinwanderer« fällt, fragen sich nicht
nur Anthropologen, ob Ureinwohner gemeint sind, oder ob es sich um
einen Beitrag zur Migrationsdebatte handelt.
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