PresseKat - Badische Zeitung: Deutschland und die EU / Berechenbarer, aber dominanter - Leitartikel von Daniela

Badische Zeitung: Deutschland und die EU / Berechenbarer, aber dominanter - Leitartikel von Daniela Weingärtner

ID: 1000205

(ots) - Seit der Bundestagswahl befindet sich Brüssel in
einem seltsamen Zustand gespannter Erwartung. Ein Riesenberg
unerledigter Gesetzesprojekte muss noch abgetragen werden, bevor die
Europäer am 22. Mai ein neues Europaparlament wählen. Doch ohne das
mächtigste Mitgliedsland bewegt sich in der Europapolitik wenig. Zwar
saßen die EU-Abgeordneten die letzten drei Monate nicht wie die neuen
Mitglieder des Bundestages untätig in ihren Wahlkreisen herum. Doch
bis zur Regierungsbildung in Berlin ging es in Brüssel und Straßburg
nur halbherzig voran. Aus EU-Perspektive hat diese Große Koalition
Licht- und Schattenseiten. Das Gezerre zwischen gegenläufigen
Interessen von Ressorts wie etwa Wirtschaft und Umwelt wird
geringer. In Brüssel arbeiteten diese Ministerien, die von
unterschiedlichen Parteien geführt wurden, oftmals gegeneinander. Da
in der neuen Koalition Umwelt- und Wirtschaftsministerium in SPD-Hand
liegen, dürfte es seltener vorkommen, dass der Vertreter der
Bundesregierung im EU-Umweltrat eine Vorlage unterstützt, die sein
Kollege zuvor im Wirtschaftsrat abgelehnt hat. Damit wird deutsche
Politik in vielen Sachfragen berechenbarer. Die verarmten EU-Staaten
hatten an eine sozialdemokratische Regierungsbeteiligung aber vor
allem die Hoffnung geknüpft, dass sie auch sozialer und solidarischer
werden möge. Der Koalitionsvertrag, in dem die SPD viele ihrer
Wünsche unterbringen konnte, bleibt aber in der Europapolitik auf
konservativem Kurs. Der Mindestlohn immerhin wird dazu beitragen,
dass nicht länger Dumpinglöhne in deutschen Schlachtereien den
Nachbarn das Geschäft verderben. In allen Bereichen, wo es um ein
sozialeres und solidarischeres Europa geht, bleibt die
Koalitionsvereinbarung aber vage. So hat die SPD auf den zunächst
geforderten Schuldentilgungsfonds verzichtet. Er hätte es unter




Druck geratenen Mitgliedsstaaten unter strikten Auflagen ermöglicht,
an billigere Kredite zu kommen. Auch die Kritik an Deutschlands
Exportstärke, die von der SPD als eine Ursache für die
Haushaltsdefizite in den südlichen Ländern gesehen wird, schlägt sich
im Koalitionsvertrag nirgends nieder. In der Europapolitik wird
Berlin im Wesentlichen die Linie fortsetzen, die schon die
schwarz-gelbe Koalition gefahren hat. Deutschland möchte
Kompetenzen aus Brüssel zurückholen und der EU-Kommission allenfalls
die Rolle eines Aufpassers zubilligen, der die zwischenstaatlich
vereinbarten neuen Regeln überwacht. Die ersten Auftritte der neuen
Kabinettsmitglieder zeigten, dass die neue Bundesregierung strotzt
vor Selbstbewusstsein. Schon von Berlin aus griff Merkel in ihrer
europapolitischen Rede die Kommission scharf an und verbat sich
Kritik am Energieeinspeisegesetz. Beim Gipfel in Brüssel traten die
Kanzlerin und ihre Berater kampfeslustig jedem entgegen, der
Vorbehalte gegen Deutschlands Vorliebe für zwischenstaatliche
Verträge äußerte. Wenn es nach der Bundesregierung geht, können
morgen Verhandlungen über neue Vertragsreformen beginnen, lautete die
Botschaft. Merkel hat als Zuchtmeisterin der schlamperten
Schuldenländer den Bogen überspannt. Bei ihrem Auftritt in Brüssel
wurde deutlich, dass sie dort derzeit nicht viele Freunde hat und
viele liebend gern die Hand beißen würden, die sie füttert. Vom
linken Juniorpartner erhofft man sich keine Besserung der Lage. Wenn
allerdings die Sozialisten die Europawahl gewinnen und der
SPD-Kandidat Martin Schulz neuer Kommissionspräsident wird, dann
werden die Karten im Machtpoker neu gemischt. Ein Vertreter des
mächtigsten Mitgliedslandes mit Sitz in der Berliner
SPD-Vorstandsetage ist dann der wichtigste Mann in Brüssel. Der
Spielraum für soziale und solidarische Europapolitik dürfte sich
dadurch deutlich erweitern.



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Datum: 27.12.2013 - 17:19 Uhr
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