Experten haben dazu aufgefordert, finanzielle Belastungen fĂŒr den Patienten bei der MRSA-Sanierung zu vermeiden
(PresseBox) - Trotz einiger Ănderungen im Abrechnungssystem ist der Patient noch immer mit dem Thema MRSA alleingelassen und trĂ€gt einen erheblichen Teil der Kosten fĂŒr die eigene Sanierung selbst. Das ist das Fazit der Sitzung "MRSA - a never ending story" am 6. Juni auf dem Hauptstadtkongress in Berlin, in der die Patientenbelastung durch MRSA sowie die Wirtschaftlichkeit einer MRSA-Sanierungsbehandlung im Mittelpunkt stand. Die eingeladenen Infektionsexperten forderten zur weiteren Senkung der MRSA-Quote unter anderem ein prĂ€stationĂ€res MRSA-Management, die KostenĂŒbernahme der Sanierungsprodukte auf Kassenrezept sowie bundesweit einheitliche Hygienestandards und einen grundsĂ€tzlich offeneren Umgang mit dem Thema MRSA.
Seit 1. April 2012 gibt es die Möglichkeit, die Diagnostik und Behandlung von MRSA-Patienten mit bestimmten Risikofaktoren in der ambulanten Arztpraxis ĂŒber die gesetzliche Krankenversicherung abzurechnen. FĂŒr Dr. Lutz Bader; Hygienereferent der KVB in MĂŒnchen, greift diese Regelung zur Versorgung von MRSA-TrĂ€gern nicht weit genug. Zwar gĂ€be es einen G-BA-Beschluss, der eine Ăbernahme der Kosten fĂŒr Medizinprodukte zur MRSA-Sanierung durch die Krankenkassen vorsehe. Die RealitĂ€t zeige aber, dass es derzeit Produkte gĂ€be, die in der Praxis zwar erfolgreich eingesetzt werden, aber noch nicht verordnet werden können, weil ihre ErstattungsfĂ€higkeit noch nicht vom G-BA geprĂŒft worden sei. Auch könnten nach den bestehenden Abrechnungsziffern nur Patienten innerhalb von sechs Monaten nach einem Krankenhausaufenthalt auf Kosten der Kassen auf MRSA gescreent werden. MRSA-TrĂ€ger sollten aber schon prĂ€stationĂ€r untersucht und saniert werden. So hĂ€tten Patienten bei endoprothetischen Eingriffen ein hohes Risiko eine MRSA-Infektion zu bekommen, wenn sie MRSA-TrĂ€ger sind. Da sieht Bader erheblichen Nachbesserungsbedarf. Ebenso bei der VergĂŒtung: der Arzt erhĂ€lt fĂŒr eine MRSA-Sanierung pro Quartal maximal 40 Euro. Wenn man den hohen Aufwand an Beratung und Betreuung des Patienten und seiner Familie bedenke, um eine Sanierungstherapie erfolgreich abzuschlieĂen, dann sei dies zu wenig. "In Bayern gibt es ca. 20.000 Ărzte, fĂŒr die das Thema MRSA relevant ist. An MRSA-Fortbildungen haben bisher 3.000 Ărzte teilgenommen, 1.000 haben die MRSA-Genehmigung beantragt", erklĂ€rte er.
"Gutes MRSA-Management rechnet sich fĂŒr jede Klinik", sagte der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Steffen FleĂa von der Hochschule Greifswald. Alle KrankenhĂ€user sollten auf MRSA-PrĂ€vention setzen. Prof. FleĂa legte Zahlen vor zur Wirtschaftlichkeit des MRSA-Managements fĂŒr eine Klinik. Die Techniker-Krankenkasse beziffert die Kosten fĂŒr einen MRSA-Patienten mit 17.517 Euro, eine Eradikationstherapie hingegen koste nur ca. 50 Euro. Bei einer Zahl von 143 MRSA-TrĂ€gern, wie sie fĂŒr 2012 im HICARE-Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern - einem AktionsbĂŒndnis gegen multiresistente Bakterien - registriert wurde, entstĂŒnden demnach Kosten von 2,6 Millionen Euro, wenn es zur MRSA-Infektion kommt. FleĂa sieht darin die BestĂ€tigung, dass ein selektives MRSA-Screening kostengĂŒnstiger ist als nichts zu tun. FleĂa, der in der Versorgungsforschung bei HICARE mitwirkt, fordert eine generelle Meldepflicht fĂŒr MRSA, um die Datenlage zu verbessern. Er riet allen Klinikverantwortlichen bei der Planung der MaĂnahmen von Anfang an Gesundheitsökonomen mit ins Boot zu nehmen. Ein Krankenhaus brauche Auslastung und einen guten Ruf. Da gehörten MaĂnahmen zur Patienten-sicherheit wie ein Hygienemanagement dazu, auch wenn dadurch auf den ersten Blick Kosten entstehen.
Die Hygienefachkraft Ruth Dallig aus dem Marienkrankenhaus in Kassel bestĂ€tigte ebenfalls die Wichtigkeit eines MRSA-Screenings vor einem Krankenhausaufenthalt und einer Operation. Das Marienkrankenhaus in Kassel screent , wie vom RKI empfohlen, mittels PCR-Test Patienten aus den Risikogruppen , wie vom RKI empfohlen, und darĂŒber hinaus auch alle OP-Patienten. Sie sei anfangs sehr erstaunt gewesen, wie viele junge Menschen MRSA-TrĂ€ger seien. Die erkannten MRSA-FĂ€lle seien gestiegen. MRSA-TrĂ€ger werden nach Hause geschickt und ambulant saniert oder im Krankenhaus isoliert. Das Vorgehen habe zu positivem Feedback fĂŒr die Klinik und auch beim Personal gefĂŒhrt, weil sich die Patienten- und Personalsicherheit dadurch erhöht. Aber es sei auch zu einer Kostenzunahme und erhöhtem Arbeitsaufwand gekommen. Dallig plĂ€dierte fĂŒr Hygieneschulungen aller im Gesundheitswesen TĂ€tigen und fĂŒr gelebtes MRSA-Management durch Netzwerkpartner. AuĂerdem dĂŒrften durch mehr MRSA-Transparenz keine wirtschaftlichen Nachteile fĂŒr die KrankenhĂ€user entstehen.
Der Dermatologe PD Dr. Tobias Görge aus MĂŒnster sieht die Patienten mit MRSA-TrĂ€gerstatus oft allein gelassen im Gesundheitssystem. "Wer einen Patienten sanieren will, der braucht viel Geduld." Görge ist verantwortlich fĂŒr die MRSA-Ambulanz an der UniversitĂ€t MĂŒnster. Zu ihm kommen Patienten, die bisher erfolglos gegen MRSA behandelt wurden. Wenn ein Patient MRSA-TrĂ€ger ist, ist er im Gesundheitswesen praktisch nicht mehr vermittelbar", erklĂ€rte Görge in seinem Vortrag. Er empfiehlt eine umfangreiche Statuserhebung durch Abstriche an mehreren Körperstellen, dann die topische Antibiose und ganz zum Schluss als letzte Möglichkeit die systemische Antibiotikatherapie nach Antibiogramm, die abhĂ€ngig von den Resistenzen die Kosten in die Höhe schraube. "Je intensiver die Kolonisation ist, umso lĂ€nger dauert die Sanierung und umso teurer wird es." Nach seiner Erfahrung kommen zwei Drittel der Patienten ohne systemische Antibiose aus.
FĂŒr das Robert Koch-Institut gehören vier Elemente zur MRSA-PrĂ€vention: das Screening von Risikogruppen, die Sanierung von MRSA-TrĂ€gern, die Information von Weiterbehandlern sowie rationale HygienemaĂnahmen. Dazu gehöre laut PD Dr. HĂŒbner (RKI Berlin) eine Sicherheitskultur, die sich aus der Qualifizierung von Mitarbeitern, hochwertiger Diagnostik, Vigilanz, prozessorientiertem Denken sowie einer konsequenten Umsetzung der Basishygiene zusammensetzt. FĂŒr das Abfangen von Risiken durch andere multiresistente Erreger seien weitere Screening-MaĂnahmen notwendig.