(ots) - Sonntag, 20. Mai 2012, 18.00 Uhr
ZDF.reportage
Die Verhandlung ist eröffnet!
Alltag am Frankfurter Amtsgericht
Film von Annette Hoth
Der Prozess droht zu kippen. Der Rechtsanwalt kann sein Pech nicht
fassen. Er und sein Mandant streiten. Lauthals. Und das im Flur des
Amtsgerichts. "Fakt ist, es gibt Spielregeln, die muss man leider
einhalten, egal, ob man im Recht ist oder nicht!", schimpft der
Anwalt. Eben ist ihre Verhandlung zu Ende gegangen - leider nicht
ganz so, wie sie beide erwartet hatten. Ein Streit um eine Wohnung,
um Schimmel und Mietkürzungen. Jetzt geht es nur noch um das
Eigentor, das der Mandant sich geschossen hat. "Ich bin tierisch
sauer! Jetzt kann ich nicht mehr viel retten. Wenn man seinem Anwalt
nicht alles sagt, kann es eben immer wieder zu Überraschungen
kommen." Der Anwalt hasst es zu verlieren, seinen Mandanten ärgern
vor allem die Kosten dieses Rechtsstreits - auf denen er jetzt wohl
sitzen bleiben wird.
"Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei", sagt der
Volksmund. Auch nach 30 Jahren als Strafrichter am Frankfurter
Amtsgericht staunt Richter Manfred Gönsch noch oft über Erlebnisse im
Gerichtssaal. "Ich mache nahezu täglich die Erfahrung, dass die
Fantasie nicht ausreicht, die Wirklichkeit zu erfassen. Es gibt so
viele Dinge, die man für allenfalls schlecht erfunden hielte, die
sich aber als wahr erweisen. Man muss grundsätzlich mal alles für
möglich halten, sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des
Angeklagten." Ob er über eine Geldbuße von fünf Euro zu entscheiden
hat oder über eine Gefängnisstrafe von vier Jahren wegen Raubes oder
Vergewaltigung - kein einziger Fall ist reine Routine.
Manfred Gönsch arbeitet am größten Amtsgericht Hessens, zusammen
mit 140 anderen Richtern. Sie bearbeiten all das, was in einer
Großstadt an Konflikten anfällt: von Verkehrsdelikten bis hin zu
Prozessen am Schöffengericht. Hier können für Gewaltverbrechen bis zu
vier Jahre Gefängnisstrafe verhängt werden. Für den Streit über die
Nebenkosten-Abrechnung oder um das Sorgerecht für die gemeinsamen
Kinder, für Testamentseröffnungen und Zwangsversteigerungen - für all
dies und noch viel mehr ist das Amtsgericht zuständig. Über 22 000
Zivilprozesse und mehr als 7000 Strafsachen werden hier pro Jahr
erledigt.
Wer seine Schulden trotz Mahnbescheids nicht bezahlt, wer seine
Wohnung nicht fristgerecht räumt, der bekommt es mit dem
Gerichtsvollzieher zu tun. Auch er gehört zum Amtsgericht. An diesem
Morgen steht eine Räumung an. Ein Mann, der mit der Miete im
Rückstand ist und trotz Urteils nicht ausgezogen ist, schaut
fassungslos zu, wie sein Vermieter unter den Augen von
Gerichtsvollzieher Manfred Mitternacht das Wohnungsschloss
austauscht. "Jetzt ist Schluss!", sagt der Gerichtsvollzieher. "Sie
wissen seit vier Wochen von diesem Termin!" Der Mann wird wütend.
Sehr wütend. Vergeblich.
So weit will es Miet-Richter Frank Füglein möglichst nicht kommen
lassen. Ihm sind die Verhandlungen die liebsten, die nicht mit einem
Urteil, sondern mit einem Vergleich enden.
"Man muss die Menschen hinter der Sache sehen und sich selbst die
Frage stellen, was wäre hier gerecht und was nicht? In
Vergleichsverhandlungen kann ich auch mal sagen: 'Alles was recht
ist, aber gibt's hier nicht eine Lösung, die vielleicht sozialer oder
menschlicher wäre?' Und darauf versuche ich hinzuarbeiten."
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