Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.: Fachtagung „Chancengleichheit herstellen, Diskriminierung vermeiden“ am 9. März 2007 in Würzburg.
(firmenpresse) - Bis heute werden von der Bildungspolitik die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse zur Legasthenie größtenteils ignoriert. Spätestens mit der Klasse 10, wenn nicht sogar schon früher, muss die Legasthenie in der Schule abgestellt sein. Die Erlasse und Verwaltungsvorschriften der Länder setzen meist sehr radikal mit der 10. Klasse das Ende der Förder- und Schutzmaßnahmen.
Für Prof. Dr. med. Schulte-Körne, Klinikum der Universität München, ist es unverantwortlich, wie mit den von einer Legasthenie betroffenen Kindern schulisch umgegangen wird. „Durch die Entwicklung neuer medizinischer Untersuchungsmethoden, wie zum Beispiel der Kernspintomographie, ist es heute möglich, das Gehirn eines Menschen bei komplexen Aufgaben wie z. B. Lesen von Wörtern oder der Unterscheidung von Sprachlauten zu beobachten. Studien verschiedener Forschergruppen haben weltweit gezeigt, dass spezifische Hirnregionen, insbesondere Regionen der sprachdominanten rechten Hemisphäre des Gehirns, bei Legasthenikern ein anderes Aktivierungsmuster als bei Nicht-Legasthenikern aufweisen. Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine Hirnfunktionsstörung, sondern um eine sehr spezifische, die abhängig von der gestellten Aufgabe ist. Wenn sprachrelevante Aufgaben gestellt werden, wie z. B. die Unterscheidung von Konsonant-Vokal-Verbindungen (Unterscheidung von da und ba), das Erkennen von Anlauten (b in Baum) oder das Erkennen von Reimen (reimen sich Haus und Mund?), finden sich geringere Aktivierungen der sprachverarbeitenden Hirnregionen bei den Legasthenikern“, so Prof. Schulte Körne.
„Man muss kein Wissenschaftler sein, um sich vorstellen zu können, dass hirnfunktionale Störungen nicht mit einer bestimmten Klassenstufe geheilt sind. Durch gezielte Förderung kann man den Kindern helfen, besser mit der Störung umzugehen und Teilbereiche durch technische Hilfsmittel wie Computer mit Rechtschreibprogrammen zu kompensieren. Zu erwarten, dass durch intensive Förderung ein Rechtschreibniveau erreicht wird, das der allgemeinen Begabung des Kindes entspricht, ist wissenschaftlich nicht haltbar“, bemängelt
Schulte-Körne.
„Selbst 1-2% der Studierenden in Deutschland berichten noch über erhebliche Probleme im Lesen und Rechtschreiben und bis zu 5% der Erwachsenen verfügen nach Schätzungen nicht über ausreichende Lese- und Rechtschreibfähigkeiten“, laut Schulte-Körne.
Der BVL, Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V., weist darauf hin, dass junge Erwachsene mit einer Legasthenie auch ein deutlich geringeres Berufsausbildungsniveau erreichen. Es werden weniger akademische Berufe gewählt, obwohl die Betroffenen aufgrund ihrer Begabung dazu sehr gut in der Lage wären. Die Rate der Arbeitslosigkeit ist unter den Lese-Rechtschreibgestörten auch deutlich erhöht. Die Ursache dafür sieht der BVL in unserem Schulsystem. In den 16 Bundesländern gibt es für Legastheniker sehr unterschiedliche schulische Rahmenbedingungen und die Legasthenie findet fast keine Beachtung. Die Schulen sind auch nicht über die fachliche Kompetenz eine Legasthenie zu diagnostizieren, denn hier sind andere Berufsgruppen wie z.B. Kinder- und Jugendpsychiater gefordert. In einigen Bundesländern liegt es trotzdem in den Händen der Klassenkonferenz darüber zu entscheiden, ob bei einem Schüler eine Legasthenie vorliegt und besondere Maßnahmen für das Kind eingeleitet werden. Der BVL sieht hier eine große Diskriminierung der betroffenen Schüler, weil ihr Störungsbild schulisch nicht ausreichend beachtet wird.
Mit seiner Fachtagung „Chancengleichheit herstellen, Diskriminierung vermeiden“, am 9. März 2007 in Würzburg, will der BVL nochmals deutlich machen, dass hier dringender Handlungsbedarf in der Bildungspolitik besteht.
Weitere Informationen zum Thema Legasthenie und zum Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. sind im Internet abrufbar unter www.bvl-legasthenie.de.
Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. besteht seit über 30 Jahren und ist eine Interessenvertretung von Betroffenen und deren Eltern sowie von Fachleuten (Pädagogen, Psychologen, Ärzten, Wissenschaftlern und im sozialen Bereich Tätigen), die sich in Theorie und Praxis mit der Legasthenie und Dyskalkulie auseinandersetzen. Er trägt dazu bei, dass gesetzliche Grundlagen und wissenschaftliche sowie praktische Möglichkeiten der Hilfe in allen Bundesländern geschaffen und verbessert werden. Durch persönliche Beratung, Informationsschriften und Hinweise auf geeignete Literatur sollen die Eltern die Schwierigkeiten ihrer betroffenen Kinder besser verstehen lernen. Der BVL fördert durch wissenschaftliche Kongresse und Veröffentlichungen die Forschung und den wissenschaftlichen Dialog unter Fachleuten aller beteiligten Disziplinen. Durch Informationen und Zusammenarbeit mit den Medien macht der BVL die Probleme der Legastheniker und Dyskalkuliker bekannt.
Weitere Informationen zum Thema Legasthenie und zum Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. sind im Internet abrufbar unter www.bvl-legasthenie.de.
Ansprechpartner für Rückfragen zu dieser Pressemeldung:
Annette Höinghaus
c/o Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V.
Postfach 11 07
30011 Hannover
E-Mail: hoeinghaus(at)bvl-legasthenie.de
Telefon: +49 4193 96 56 02 30
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