(firmenpresse) - Dezember 2006 - Dass es weiterhin wichtig ist, deutsche Gesundheitspolitiker und EU-Parlamentarier mit Informationen zur Naturheilkunde - im Europäischen Rahmen offziell Complementary Alternative Medicine, kurz CAM, genannt - zu versorgen, das hat das 2. ANME-Symposium in Frankfurt aufgezeigt. Erst vor wenigen Monaten war der Versuch des European Forum of Complementary and Alternative Medicine (EFCAM), die Naturmedizin zu einem festen Bestandteil in einem Programm zur öffentlichen Gesundheit („Public Health“) in der EU zu machen, wegen radikaler Budgetkürzungen in Höhe von rund 60 Prozent des europäischen Gesundheitshaushalts durch die EU-Kommission gescheitert - trotz parlamentarischer Unterstützung.
Unter dem Motto „Naturmedizin im vereinten Europa - quo vadis?“ hatte die Association of Natural Medicine in Europe (ANME) namhafte Repräsentanten der nationalen wie europäischen Naturheilkunde aus Forschung, Industrie und Praxis in der Mainmetropole zusammengebracht. Finanziell unterstützt wurde das Symposium von der European Public Health Alliance (EPHA), die finanzielle Mittel der EU-Kommission im Rahmen ihres Projektes zum Aufbau einer europäischen Gemeinschaft im Bereich Öffentliche Gesundheit (Public Health) bereitstellte.
Im Laufe des Symposiums, das den Informationsaustausch und neue Partnerschaften innerhalb der europäischen Naturheilkunde fördern soll, wurde den rund 60 anwesenden Symposiumsteilnehmern schnell klar, dass noch viele Fragen zum Patienten- und Verbraucherschutz, zur naturmedizinischen Forschung und zur Therapie- und Gesundheitsqualität im freien Dienstleistungsverkehrs der EU noch offen und ungeklärt sind. „Die Naturheilkunde bzw. Komplementärmedizin stellt eine hochkomplexe Materie dar, die sehr individuell angelegt ist und es gibt für sie keine Patentlösungen – auch und gerade nicht im europäischen Rahmen“, konstatierte zu Beginn der Veranstaltung die Vorsitzende der ANME, Monika Gerhardus. Dem offenkundigen Forschungsbedarf für Naturheilverfahren und -mittel stehen weiterhin nur beschränkte Forschungsaufwendungen gegenüber, was dem Argument der wiederholt betonten mangelnden wissenschaftlichen Absicherung der Komplementärmedizin offen entgegengehalten werden muss. Es bleibt deshalb ein erklärtes Ziel aller in diesem Gesundheitsbereich in Europa tätigen Gruppierungen, mehr Forschungsförderung zu erreichen, damit die Naturheilkunde unter wissenschaftlichem Aspekt nicht weiter als beliebig interpretierbar gelte. „Das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in „ihre“ Naturmedizin zeigt evident die Akzeptanz und Wirksamkeit der Complementary and Alternative Medicine (CAM) auf und macht eine vermehrte, auch internationaler angelegte Forschungsaktivität unbedingt erforderlich“, so Gerhardus abschließend.
Verschiedene Umfragen und wissenschaftliche Analysen aus den vergangenen 15 Jahren kommen zu dem Ergebnis, dass die absolute Mehrheit der Deutschen und im etwa gleichen Verhältnis viele Patienten aus den europäischen Nachbarländern mit Mitteln und Methoden der CAM regelmäßig oder nach Bedarf ihrer Gesundheit nachhelfen. Maßnahmen zur Selbstmedikation rücken schon aus Kostengründen europaweit immer mehr in den Vordergrund. Die CAM stellt sich, gerade in Zeiten knapper Finanzen, als eine kostengünstige und effektive Alternative für ein europäisches Gesundheitswesen dar.
Arzneipflanzen haben gegenüber chemischen Substanzen den Vorteil der langen Anwendungserfahrung aus der Volksmedizin. Zimt ist zum Beispiel seit 5000 Jahren als Arzneipflanze bekannt und wurde im späten Mittelalter in unvorstellbaren Mengen verzehrt. Heute wird in der Öffentlichkeit ernsthaft vor dem Verzehr von Zimtsternen gewarnt, weil das Gebäck Coumarine enthält, die theoretisch (in Reinform und in bestimmten Modellen) toxische Effekte auslösen können. Dass dies für Zimt noch nie beobachtet wurde und sich auch in toxikologischen Untersuchungen nicht widerspiegelt, spielt bei dieser Aktion keine Rolle. Hauptsache, der Verbraucher ist geschützt – aber nicht nur vor Zimtsternen.
Evidence Based Medicine, kurz EBM genannt, war das Stichwort der Veranstaltung. Gemeint ist damit die wissenschaftliche Überprüfbarkeit auf die Wirksamkeit von Methoden und Heilmitteln der Medizin, auch der Komplementärmedizin. Dr. Mathias Schmidt; Wissenschaftler und Vertreter des European Forum of Complementary and Alternative Medicine (EFCAM), konnte anhand mehrerer Beispiele aufzeigen, dass die übertriebene Auslegung von EU-Vorgaben durch nationale Behörden deshalb nicht weiter akzeptierbar ist. „Die evidenz-basierte Medizin wurde geschaffen, um der Phytotherapie und der komplementären und alternativen Medizin die Möglichkeit zu geben, die teilweise über Jahrzehnte tradierten Therapieerfahrungen zu würdigen. Diese Bemühungen werden durch rigide und formalistische Anwendung von Betrachtungen zur Anwendungssicherheit konterkariert.“ Gut kontrollierte Phytopharmaka dürften, so sein Fazit, nicht durch überzogene Anforderungen vom Markt gedrängt werden, insbesondere nicht mit dem Hinweis auf die Verbrauchersicherheit. Die Alternative wären dann schlecht kontrollierte Präparate über Internetversand und damit eine Verschlechterung der Verbrauchersicherheit.
Dem stimmte auch Dr. Konstantin Keller zu, der als Vertreter der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA (European Medicines Agency) zum Thema „Chancen der komplementären Medizin in Europa“ vortrug. „Das Arzneimittelgesetz der EU stellt in erster Linie ein Verbraucherschutzgesetz dar, die EBM ist dabei für den Patienten von relativ wenig Interesse“, lautete sein Kommentar. Die Erstellung von Pflanzenmonographien, die die Zulassung naturmedizinischer Produkte auf EU-Ebene beschleunigen sollen, wird sich nach seinen Angaben wegen fehlender finanzieller Mittel und entscheidender Probleme mit dem EU-Copyright auf unvorhersehbare Zeit verzögern. Damit verzögert sich auch die Zulassung vieler naturmedizinischer Produkte, was allerdings nicht im Sinne des EU-Verbraucherschutzes sein kann.
Unter öffentlichem Druck wegen angeblich fehlender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweise steht seit einigen Jahren auch die Homöopathie in Großbritannien, wie Kate Chatfield von der University of Central Lancashire berichtete. „Herkömmliche Untersuchungsmethoden sind nicht auf diese ganzheitliche Methode anwendbar“, so Chatfield, „aber die Homöopathie sollte auch nicht länger versuchen, ihre Wirksamkeit zu beweisen sondern sie sollte zeigen, wie sie funktioniert.“ Rund 25 Prozent der EU-Bürger nutzen und schätzen die Homöopathie und sie ist damit eine der meist angewendeten CAM-Methoden, die es gilt, in der Praxis weiter zu verbessern.
Wie profitiert nun der EU-Verbraucher von Evidence Based Medicine (EBM)? Diese Frage stellte der griechische Arzt für Homöopathie, Naturheilverfahren und Psychotherapie, Georg Ivanovas: „Patienten sind für mich keine Verbraucher sondern Partner in einem Gesundungsprozess. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Ärzte und Wissenschaftler, die Patienten als Verbraucher betrachten, ein anderes Verständnis von evidenzbasierter Medizin haben. Es geht dabei also um viel grundlegendere
Themen als den EU-Verbraucherschutz.“ Oft kommen Patienten mit einer ganzen Palette evidenzgeprüfter Medikamente in seine Praxis, die sie jahrelang nahmen, ohne dass sich an ihrer Erkrankung irgendetwas Grundlegendes geändert hätte. Wenn nun solche Patienten nach einem Jahr naturheilkundlicher Therapie keine Medikamente mehr nehmen und gesund sind, so ist das zwar kein Beweis für die Wirksamkeit der Naturheilverfahren. „Es ist zumindest aber ein Beweis dafür, dass es wohl ein Problem mit der Wirksamkeitskontrolle gibt. Das Konzept der EBM wird in sich zusammenbrechen, wir müssen andere Formen und Systeme der Wirksamkeitsforschung suchen und finden“, lautete denn auch das Fazit Ivanovas.
Obwohl Regelungen der allgemeinen Gesundheitsversorgung in den Händen der einzelnen Eu-Staaten liegt, die Auswirkungen der EU-Gesetzgebung auf die nationale Gesundheitspolitik nehmen stetig zu. Gemeinsam entwickeln die nationalen Gesundheitsbehörden eine integrierte Gesundheitsstrategie für Europa. Ein vereinfachter Austausch von Informationen und kompetentes Networking von Nichtregierungsorganisationen, so genannten NGO`s wie die ANME oder EPHA, und Verbrauchervertretungen auf EU-Ebene wird deshalb immer wichtiger. Das unterstrich auch die Vertreterin der European Public Health Alliance, Lara Garrido-Herrero, als Mitveranstalterin des Symposiums: „Die Ergebnisse dieser Interessenwahrnehmung ist allerdings bis heute oder kurzfristig noch nicht messbar, da die Gesetzgebung im EU-Rahmen bis zu 15 Jahre dauert.“
Ăśber ANME:
Der Association of Natural Medicine in Europe e.V. (ANME) sind mehr als 40.000 Menschen über ihre Organisationen oder als Einzelpersonen angeschlossen. Sie unterstützen die ANME, die sich seit 2001 für einen dauerhaften Erhalt der Naturheilkunde im europaweiten Markt einsetzt. Dabei stehen die Koordinierung und gemeinsame Interessenwahrnehmung der europäischen Naturheilkunde (CAM) im Mittelpunkt aller politischen und initiativen Aktivitäten. ANME ist aktives Mitglied in der European Coalition on Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products (ECHAMP), der European Public Health Alliance (EPHA) und dem European Forum of Complementary and Alternative Medicine (EFCAM).