PresseKat - Die Union steckt in der Krise

Die Union steckt in der Krise

ID: 21283

(firmenpresse) - Bonn - Der bekannte Parteienforscher Franz Walter von der Universität Göttingen http://www.politikwissenschaft.uni-goettingen.de/ sieht die Union in der Defensive. "Vor einem Jahr hing der christdemokratische Himmel noch voller Geigen. Der Regierungs- und Politikwechsel galt als sicher. Selbst absolute Mehrheiten wurden der Union von einigen Demoskopen prognostiziert. Eine neue Bürgerlichkeit, so hiess es im Feuilleton, werde das Land grundlegend verändern. Nichts davon ist übriggeblieben. Schon die Bundestagswahlen bedeuteten ein ziemliches Desaster für die Union. Und im Sommer 2006 steckt die Union in einem Zustimmungstief. 33 Prozent CDU/CSU-Wähler mass das Forsa-Institut diese Woche. Und man hat nicht den Eindruck, dass die Zeiten christdemokratischer Hegemonie noch einmal zurückkehren mögen", so Walter in der Welt am Sonntag (WamS) http://www.wams.de.

Die Welt der Christdemokraten werde immer schmaler, da immer weniger Menschen noch treue Kirchgänger, lebenslange Heimatverbundene, dogmatische Nationalpatrioten, scheidungsresistente Eheleute und wütende Bekämpfer jedweder Emanzipation seien. Die normative Basis sei gesprengt; die Überzeugungen, Einstellungen, Glaubensinhalte im Bürgertum Deutschlands hätten sich weit auseinander gespreizt. Die Union kann nach Analyse des Göttinger Hochschullehrers beim neuen Bürgertum nicht punkten: "Die Globalisierungselite von heute beteiligt sich schon aus Zeit- und Mobilitätsgründen nicht mehr an der stationären Politik. Sie ist auch nicht mehr bereit, die Langwierigkeit von Gremiensitzungen und die Schwerfälligkeiten von Partei- und Regierungsorganisationen nachzuvollziehen. Zunehmend verachtet dieser Typus den langsamen Staat, die verkrusteten Bürokratien, die dauerpalavernden Volksparteien, aus seiner Sicht: all die etatistischen Monster, die er mit seinen Steuergeldern auch noch alimentieren muss. Dieses zornige, ungeduldige, betriebsame Bürgertum hat sich von der Union dispensiert, orientiert sich derzeit wahlpolitisch stärker an den konzeptionell windschnittigeren, rigideren, forscheren Liberalen."





Walters Resümee: "Die CDU/CSU verfügt nicht mehr über den normativen, mentalen, organisatorischen und strategischen Integrationsstoff, um die heterogenen Sozialgruppen der gesellschaftlichen Mitte diesseits von Rot-Grün zu bündeln und beieinander zu halten. Denn der alte Klebstoff, der Kitt aus Antisozialismus, Heimattümelei, Kirche und Bindungsmoral, ist perdu. Ohne Zweifel: Die Zukunft der Union als Volkspartei steht auf dem Spiel."

Der Kommunikationsexperte Frank Neuhaus, der unter anderem als Dozent am Institut für politische Bildung der Konrad-Adenauer Stiftung (KAS) http://www.kas.de sowie als Dozent an der Kölner Journalistenschule http://www.koelnerjournalistenschule.de tätig ist, stellt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift NeueNachricht http://www.ne-na.de Überlegungen an, wie sich die Union in einer grossen Koalition inhaltlich profilieren könne. "Das traditionelle sozialkulturelle Milieu der Christdemokraten wird immer schmaler. Die einst konservativen kleinbürgerlichen Moralüberzeugungen haben sich zunehmend aufgelöst ebenso wie die kritiklose Übernahme christlicher Moralimperative.

Unabhängig von den Notwendigkeiten einer sachorientierten Politik sehnen sich viele Menschen aber nach Orientierung, die ihnen Selbstvergewisserung und damit ein Gefühl emotionaler Zugehörigkeit gibt. Erfüllt eine Partei dieses Bedürfnis nicht, schwindet die Loyalität und Politik wird nur noch als technokratisches Machtinstrumentarium wahrgenommen. Folgen einer derartigen seelenlosen Politik sind abnehmende Loyalität und zunehmende Parteien- und Politikverdrossenheit", so Neuhaus.

Deutschland sei in weiten Teilen ein säkulares Land. Deswegen könne eine Volkspartei die politische Debatte nicht unter dem Stichwort "christliche Werte" führen, sie werde dadurch ihren Charakter als Volkspartei nicht mehr gerecht: "Was die CDU aber kann, ist sich selber einen Markenkern geben, der dem genetischen Code ihrer Programmatik entspricht, sie unverwechselbar macht und Menschen für sich begeistert, die in dem Unions-Wahlkampf der vergangenen Bundestagswahl nicht erreicht wurden. Denn Menschen wollen nicht nur Teil eines Wirtschaftsstandortes sein, der im globalen Wettbewerb steht, sondern sie brauchen emotionale Identifikationsmuster."

Die CDU war, was die emotionalen Bindungskräfte, was die sie tragende Idee anbelangt, die ersten anderthalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ein ziemlicher Ausfall, schreibt Neuhaus. Wer aber jenseits der Tagespolitik, den Menschen keine sie begeisternde Idee anbiete, dürfe sich nicht wundern, wenn die Wählerzustimmung unter den Erwartungen bleibe. Die SPD werde versuchen, sich in einer grossen Koalition als Protagonist der "kleinen Leute" zu positionieren, der den Wert der Politik an der Output-Effizienz einer Benefits produzierenden Dienstleistungseinheit für diese Zielgruppen bemisst: "Diesen Markenkern wird sie beleben und versuchen, für sich zu instrumentalisieren. Die SPD wird daher den Grundwert der Solidarität in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen und versuchen, ihre Politik damit aufzuladen."

Ein aufgeklärter werteorientierter Patriotismus könne zum unverwechselbaren Markenkern einer selbstbewussten Union werden. "Und mit diesem Patriotismusbegriff sind nun wirklich nicht die Platitüden eines Autors wie Matthias Matussek gemeint, dessen intellektueller Analphabetismus nicht nur in seinem Buch ‚Wir Deutschen’ nachzulesen ist, sondern jüngst in mehreren Fernsehsendungen zu sehen und zu hören war. Mit aufgeklärtem werteorientiertem Patriotismus ist auch nicht die infantile Fähnchen schwingende Partystimmung der Fussball-WM gemeint. Sondern dieser aufgeklärte werteorientierte Patriotismus muss mit politischen Inhalten verdient werden. Wenn es der CDU gelingt, eine Politik des Aufbruchs und der neuen Ideen mit den spezifischen Freiheits-, Gerechtigkeits- und Solidaritätsverständnis ihrer Programmatik aufzuladen und dieses mit dem Patriotismus, der Menschen emotionale Zusammengehörigkeit vermittelt, zu einer Synthese zusammenzufügen, dann kann daraus der neue Markenkern der CDU werden. Und dieser Markenkern hat das Potenzial, viele Menschen zu begeistern und die CDU unverwechselbar zu machen.

Zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte wäre dadurch unverkrampfter Patriotismus möglich, weil der Patriotismus mit einem demokratischen Wertegerüst aufgeladen wäre. Ein daraus resultierendes Identifikationsmuster hätte eine nicht zu unterschätzende stabilisierende Funktion für die grundgesetzliche Demokratie."


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Datum: 04.07.2006 - 09:58 Uhr
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