(ots) - Als er drei Jahre alt war, wurde der kleine Owen
Suskind zum Autisten und verschwand in seiner eigenen, für alle 
anderen unverständlichen Welt. Nun ist Owen erwachsen, hat seinen 
Schulabschluss in der Tasche und bereitet sich darauf vor, in eine 
eigene Wohnung zu ziehen. Denn nach Jahren, in der sich Owen als 
Kleinkind von seinen Eltern abgekapselt hat, wurde sein Leben durch 
Animationsfilme neu "animiert". Der berührende Dokumentarfilm LIFE, 
ANIMATED (Start: 22. Juni) von Roger Ross Williams erzählt die wahre 
Geschichte des Owen Suskind, der die Zeichentrickfilme der 
Disney-Studios auswendig kennt und durch sie wie durch ein Wunder ins
Leben zurückgeholt wurde. Die fünfköpfige Expertenrunde der FBW 
verleiht dem Dokumentarfilm das höchste Prädikat "besonders wertvoll"
und schreibt in ihrer Begründung: "Selten hat das Stilmittel der 
Animation in einem Dokumentarfilm so gut Stil mit Inhalt vereinigt 
wie hier. Eine außergewöhnlich gelungene Dokumentation."
   Es ist die Zeit des US-amerikanischen Bürgerkriegs, die Südstaaten
werden mehr und mehr isoliert und ausgehungert. Wie eine Bastion 
versucht Martha Farnsworth mit ihrer Mädchenschule den Schrecken und 
das Chaos vor den Schülerinnen fernzuhalten. Doch als in 
unmittelbarer Nähe ein verletzter Nordstaatensoldat entdeckt und zur 
Pflege in die Schule gebracht wird, gerät das geregelte Leben der 
Frauen durch seine Anwesenheit aus den Fugen. Sofia Coppolas DIE 
VERFÜHRTEN (Start: 29. Juni) basiert auf dem Roman von Thomas 
Cullinan und ist durchzogen von einer dichten Atmosphäre und 
Spannung, die den Zuschauer von Beginn an fesselt. Die FBW-Jury lobt 
in ihrem Gutachten unter anderem Kamera und Schnitt, die "die 
Handlung wie im Schwebezustand vorwärts bewegen und das perfekt 
gewählte und eingesetzte Setting in eine schwüle und von latenter 
Bedrohung geprägte Atmosphäre hüllen". Neben den exzellenten 
schauspielerischen Leistungen von Nicole Kidman, Colin Farrell und 
Kirsten Dunst hebt die Jury auch die Leistung Coppolas hervor, die 
"souverän eine stets spannend bleibende Vielfalt der Relationen der 
Frauen und Mädchen zu dem Fremden komponiert". Für die Jury entstehe 
so "auch eine interessante Erzählung über Geschlechterverhältnisse in
Zeiten des Bürgerkrieges". Die FBW vergibt das Prädikat "besonders 
wertvoll".
   Mit 16 Jahren glaubt Mifti sich klüger, erfahrener und abgebrühter
als so mancher Erwachsene. Die Schule interessiert sie schon länger 
nicht mehr, ihre älteren Geschwister und ihr Vater scheinen weniger 
Plan vom Leben zu haben als sie selbst und die Männerwelt hat ihr 
rein gar nichts zu bieten. Also lässt sie sich durch den Berliner 
Alltag und das von Parties und Drogen erfüllte Nachtleben treiben. 
Das einzige, was Mifti berührt, ist die Erinnerung an die Künstlerin 
Alice, mit der sie einmal zusammen war. Und deren Faszination sie 
noch heute gefangen hält. Vor vielen Jahren gelang Helene Hegemann 
mit ihrem Debütroman ein absoluter Überraschungserfolg. Nun bringt 
sie mit AXOLOTL OVERKILL (Start: 29. Juni) die Verfilmung desselben 
auch als Regisseurin auf die große Leinwand. Die unabhängige Jury der
FBW vergibt das höchste Prädikat "besonders wertvoll" und schreibt: 
"Dieser Film ist in erster Linie deshalb so herausragend, weil er 
absolut kompromisslose Wege findet, um seine Figur mit allen zur 
Verfügung stehenden filmischen Mitteln zu erzählen. Er scheint sich 
auf erfrischende Art und Weise nicht um Erwartungen und Konventionen 
zu kümmern, sondern bleibt in Form und Gestaltung radikal in der 
Filmemacherperspektive. Diese Form des konsequenten Independent-Films
ist zur Zeit in Deutschland ein rares Gut: einer, der sich von 
Konventionen freimacht, ohne gleich mit ihnen brechen zu müssen, der 
sich jede moralische Freiheit nimmt, ohne gleich verletzen zu müssen,
und der bei all dem immer genau weiß, was er erzählen möchte."
   Mehr Informationen zu aktuellen und kommenden FBW-Empfehlungen 
unter www.fbw-filmbewertung.com. Die Deutsche Film- und 
Medienbewertung (FBW) zeichnet herausragende Filme mit den Prädikaten
wertvoll und besonders wertvoll aus. Über die Auszeichnungen 
entscheiden unabhängige Jurys mit jeweils fünf Filmexperten aus ganz 
Deutschland. Die FBW bewertet die Filme innerhalb ihres jeweiligen 
Genres.
   Prädikatsfilme vom 22. bis 29. Juni 2017
   Life Animated
   Dokumentarfilm. USA 2016.
   Owen Suskind ist 23 Jahre alt. Er hat das College abgeschlossen, 
zieht in seine erste eigene Wohnung, will sich eine Arbeit suchen. 
Alles ganz normal. Doch dass Owen einmal an diesen Punkt kommt, 
hätten seine Eltern wohl nicht vermutet. Denn im Alter von drei 
Jahren wurde bei Owen Autismus diagnostiziert. Owen kapselte sich von
seiner Umwelt ab, verlor seine Sprache. Doch dann, eines Abends, 
schaute die Familie zusammen einen von Owens 
Lieblings-Zeichentrickfilmen. Und nach Jahren des Schweigens fing 
Owen plötzlich an, Dialoge aus dem Film mitzusprechen. Bis heute lebt
Owen in einer Welt, die er sich aus Disney-Filmen zusammengebaut hat.
Doch wie kann es Owen gelingen, auch in der realen Welt 
zurechtzukommen? Von der ersten Minute an ist man im Dokumentarfilm 
LIFE, ANIMATED von Regisseur Roger Ross Williams gefangen und berührt
von der Geschichte Owens. Williams verknüpft Videoaufnahmen der 
Familie mit Interviews, um in Owens Krankheitsverlauf einzuführen. 
Die Eltern und Owen selbst erzählen von seinem Weg zurück ins Leben, 
der mit einem Disney-Film begann und sich immer noch wie ein Wunder 
anfühlt. Parallel dazu begleitet Williams seinen charismatischen, 
sympathischen und emotional so klugen Protagonisten bei seinem 
schwierigen Weg in ein selbstbestimmtes Erwachsenenleben. Denn Owen 
hat im Umgang mit ganz "normalen" Alltagsdingen Probleme, die ein 
Nicht-Autist nur schwer nachvollziehen kann. Der Film zeigt diese 
Probleme auf, zeigt die Schwierigkeiten, die die Krankheit Owens 
Familie bereitet. Und doch trägt auch dies stets dazu bei, dass man 
als Zuschauer noch mehr eintauchen kann und für die Dauer des Films 
ein Teil der Familie wird. Ob die Eltern oder der verständnisvolle 
ältere Bruder, der Owen beschützen will: Man ist beeindruckt und 
berührt von diesen großartigen Menschen, die alles für Owen tun. Das 
französische Animationsteam von Mac Guff Animation fügt dem Bild 
traumhaft schöne Animationssequenzen bei, die in Owens Fantasie 
entstanden sind und sein Innenleben, seine Ängste, Träume und 
Erinnerungen spiegeln. Immer spielen auch dort die Disney-Figuren 
eine wichtige Rolle. Sie sind die treuen Begleiter in einer Welt, in 
der Owen nach und nach erwachsen wird. Während er in seiner Welt 
immer ein kleiner Junge bleibt. Einzelne klug ausgewählte Sequenzen 
aus Disney-Filmen benutzt Williams, um Owens Empfindungen zu 
verdeutlichen. Doch sie zeigen darüber hinaus auch, wieviel Kraft 
Filme haben können. Die Kraft, Menschen zu berühren und in ihnen 
etwas auszulösen, für das es keine rationale Erklärung gibt. Die 
Kraft, sie aus einer Blockade zu befreien. Und die Kraft, ihnen im 
Leben als Inspiration und Schutz zu dienen. Mit seiner berührenden 
Geschichte, seinen sympathischen Protagonisten und seinem klug 
durchkomponierten Konzept ist LIFE, ANIMATED nicht nur ein 
großartiger Dokumentarfilm. LIFE, ANIMATED ist auch eine 
Liebeserklärung an die Kraft und den Zauber von Filmen.
   http://www.fbw-filmbewertung.com/film/life_animated
   Die Verführten
   Spielfilm, Drama, Literaturverfilmung. USA 2017.
   Richmond, Virginia, 1864: Martha Farnsworths Mädchenschule bietet 
während des tobenden Bürgerkriegs eine sichere Zuflucht vor den 
Schrecken der Außenwelt. Als in unmittelbarer Nähe ein verletzter 
Soldat entdeckt und zur Pflege in die Schule gebracht wird, gerät das
geregelte Leben der Frauen durch seine Anwesenheit aus den Fugen. 
Schon nach kurzer Zeit erliegen die Frauen dem Charme des verwundeten
Nordstaaten-Offizier John McBurney - Eifersucht und Intrigen 
vergiften zunehmend das Zusammenleben. Aus Gefühlen erwachsen 
Sehnsüchte, doch nicht alle Sehnsüchte werden erfüllt. Schon die 
ersten Bilder von Sofia Coppolas DIE VERFÜHRTEN, der auf dem Roman 
von Thomas Cullinan basiert, durchzieht eine schwül-sinnliche 
Stimmung, die im krassen Gegensatz zur strengen Ordnung im 
Mädchenpensionat steht. Dieser Gegensatz verleiht eine knisternde 
Spannung, die auch von der exzellent komponierten Bildgestaltung 
unterstützt wird. Die Kamera von Philippe Le Sourd fängt sowohl die 
von Mangroven und Nebelschwaden umhangene Südstaatenlandschaft als 
auch die kammerspielähnlichen Figurenkonstellationen in der Enge des 
Hauses gekonnt ein und fügt eine wichtige Komponente hinzu. Denn in 
einem Umfeld, in dem nichts ausgesprochen wird, sagen Blicke mehr als
Worte. Auf einen Score verzichtet Coppola, nur der Gesang der Mädchen
sorgt in entscheidenden Szenen für Spannung und Atmosphäre. Die 
Darsteller sind fantastisch in ihren Rollen. Elle Fanning als 
verführerische Lolita-Figur, Kirsten Dunst als verhärmte Jungfer, die
nun endlich ihre Chance auf einen Ausbruch aus der lästigen Pflicht 
gekommen sieht, und auch Colin Farrell als ambivalent charismatischer
Kriegsdeserteur, dessen Absichten immer ein wenig im Unklaren 
bleiben, sind ideal besetzt. Über allem thront Nicole Kidman als 
streng reservierte Pensionatsleiterin. Gekonnt changiert sie zwischen
Fürsorge, Kalkül, Strenge und Schwäche. Und verleiht damit ihrer 
Figur etwas faszinierend Dominantes und letzten Endes auch 
Dämonisches. Obwohl es die männliche Figur ist, die die Situation 
lange Zeit zu lenken scheint, so sind es doch die weiblichen 
Charaktere, welche Coppola als starke Individuen zeigt, die sich ihr 
Schicksal nicht aus der Hand nehmen wollen. Und wenn am Ende die 
Situation eskaliert und es zu einem überraschend perfiden Ende kommt,
dann erscheint das letzte Bild wie eine Mahnung daran, die Stärke und
Gemeinschaft der Frauen niemals zu unterschätzen. Sofia Coppolas DIE 
VERFÜHRTEN ist großartiges Darstellerkino, das stimmungsvoll 
unterhält und den Zuschauer mit wohligem Schauer entlässt.
   http://www.fbw-filmbewertung.com/film/die_verfuehrten
   Axolotl Overkill
   Spielfilm, Drama. Deutschland 2017.
   Schon der Roman "Axolotl Roadkill" von Helene Hegemann, der im 
Jahr 2010 die Bestsellerlisten stürmte, provozierte und polarisierte 
das Publikum. Die Verfilmung unter dem Titel AXOLOTL OVERKILL führt 
die einzigartige und radikale Stimmung dieses Buchs nahtlos auf der 
großen Leinwand fort und erzählt die Geschichte einer jungen Frau auf
der Schwelle zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsensein aus genau 
dieser Lebensperspektive heraus. Denn "normal" kann ja jeder. In die 
Schule gehen, Freunde haben, mit der Familie klarkommen. Mifti hat 
keinen Bock auf "normal". Sie ist 16, findet Schule als Ort des 
Lernens überbewertet, gibt auf Freunde nicht so viel und lebt mit 
ihren Halbgeschwistern in einer WG in Berlin, mehr oder minder 
friedlich. Ihren Vater, der mit seiner dauerumnebelten 
Lebensgefährtin ganz anti-bourgeois in einem halben Abrisshaus wohnt,
besucht sie nur selten, ihre Mutter ist tot. Für Mifti ist die Welt 
irgendwie egal geworden. Doch dann lernt sie erst die nervlich labile
Schauspielerin Ophelia und dann die faszinierende und wesentlich 
ältere Malerin Alice kennen. Und durchstreift mit ihnen das Berliner 
Nachtleben - Partys, Sex und Drogen inklusive. Wie schon in der 
Vorlage geht Hegemann auch in ihrem Langfilmdebüt ganz konsequent vor
und überlässt der Figur der Mifti die Bühne des Geschehens. Die 
eigentlichen Erwachsenen um Mifti herum sind allesamt nutzlos als 
Leitfiguren für Mifti, sie sind schwach, unzuverlässig und lassen 
Mifti in ihrer Suche nach ihrem Platz im Leben allein. Das Ensemble 
spielt stark, ob nun Laura Tonke und Julius Feldmeier als 
Halbgeschwister, Mavie Hörbiger als Ophelia oder Bernard Schütz als 
überkandidelter Intellektuellenvater. Sie alle kreisen jedoch um 
Mitfti. Mit großer trotziger Kraft, die förmlich von der Leinwand auf
den Zuschauer springt und hinter der eine ebenso große 
Verletzlichkeit schlummert, verkörpert Jasna Fritzi Bauer dieses 
Mädchen, das schon lange nicht mehr Kind ist, aber noch mehr eine 
Erwachsene spielt als eine zu sein. Die Sprache, mit der Hegemann 
Mifti sprechen lässt, ist deftig, unbequem, aber durchweg klug. Auch 
die Kamera von Manuel Dacosse umkreist Mifti immer wieder, fast 
schwerelos verfolgt sie sie. So wirken viele der Sequenzen, die nicht
immer einer klaren und eindeutigen Erzähldramaturgie folgen, 
traumhaft und fast schon surreal, man kann sich als Zuschauer nie 
sicher sein, wo man sich genau in der Handlung befindet. Dazu trägt 
auch der stimmige Soundtrack bei, bei dem sich moderner Indie-Pop und
klassische Stücke mischen. AXOLOTL OVERKILL ist in seiner 
unverhohlenen Frechheit, seiner Radikalität und seinem Mut zur 
unkonventionellen Erzählweise ein herausragendes Beispiel für den 
neuen jungen deutschen Film. Alles außer gewöhnlich.
   http://www.fbw-filmbewertung.com/film/axolotl_overkill
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