(ots) - Für ihren Umgang mit dem Thema Sexualität
steht die Katholische Kirche immer wieder in der Kritik. Mit ihrer
Verurteilung von Homosexualität und dem krampfhaften Festhalten am
Zwangszölibat lebe die Kirche eine Doppelmoral, so der Vorwurf.
Welche Folgen hat das für die Betroffenen? Und warum reagiert die
Kirche nicht auf die gesellschaftliche Wirklichkeit? Im "Nachtcafé"
mit Michael Steinbrecher diskutieren u. a. Krzysztof Charamsa,
ehemaliger ranghoher Priester im Vatikan und Weihbischof Hans-Jochen
Jaschke, am 29. Januar 2016 um 22 Uhr im SWR Fernsehen. Weitere Gäste
sind: der Journalist und Vatikanexperte Thomas Englisch, der
ehemalige Pfarrer Stefan Hartmann, der sich vor zwei Jahren zu seiner
unehelichen Tochter bekannte; Marco Palmiro Stoop, der Sohn eines
katholischen Pfarrers, und die Psychotherapeutin Professor Rotraud
Perner, die den Zwang, zölibatär zu leben für unmenschlich hält.
Vor wenigen Monaten erschütterte ein Coming Out die Kirchenwelt:
Krzysztof Charamsa, Mitglied der katholischen Glaubenskongregation im
Vatikan, stellte der Öffentlichkeit vor laufenden Kameras seinen
Lebenspartner vor. Gleichzeitig kritisierte der polnische Priester
die Kirche scharf für ihren Umgang mit Sexualität. Der Klerus sei
"überwiegend homosexuell", die Kirche in ihrer Haltung homophob und
rückwärtsgewandt, so Charamsa. Nicht erst seit Charamsas
spektakulärem Auftritt wirken die Sexualvorstellungen der Kirche aus
der Zeit gefallen. Priester müssen sich auch im 21. Jahrhundert zu
einem zölibatären Leben verpflichten - unterdrücken ihre Bedürfnisse
nach Liebe und Sexualität oder leben sie im Verborgenen. Mit
persönlichen Folgen für Pfarrer, ihre Partner und Kinder. Und, wie in
den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre aufgedeckt, teilweise
auch zum dramatischen Nachteil ihrer Schutzbefohlenen. "Das Kreuz mit
dem Sex", ist das Thema bei Michael Steinbrecher im "Nachtcafé".
Die Gäste:
Krzysztof Charamsa arbeitete jahrelang im innersten Zirkel der
Katholischen Kirche im Vatikan. Im Oktober dann vor aller
Öffentlichkeit das Outing als schwuler Priester und das Bekenntnis zu
seinem Partner - aus Protest. Er sagt: "Ich musste jahrelang wider
meine Natur leben".
Andreas Englisch bestätigt: "Es gibt keine andere Institution, die
auf der einen Seite so stark von Homosexualität geprägt und auf der
anderen Seite so homophob ist". Der Journalist und Vatikan-Experte
wundert sich, dass der Kirche in Personalfragen auch im 21.
Jahrhundert der Verzicht auf Sexualität wichtiger ist, als die
fachliche Eignung der Menschen. Vom neuen Papst erhofft sich der
Franziskus-Fan eine Aufbruchsstimmung in der Kirche.
Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hingegen hält an seinen
urkatholischen Überzeugungen fest und macht wenig Hoffnung auf
Reformen seiner Kirche. "Priester sein heißt: Man verpflichtet sich
auf die Ehelosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit." Sein eigenes
zölibatäres Leben empfindet Jaschke nicht als Verzicht sondern als
Bereicherung.
Der ehemalige Pfarrer Stefan Hartmann bekannte sich vor zwei
Jahren zu seiner unehelichen Tochter. Nach seiner öffentlichen
Beichte untersagte ihm sein Bischof weitere Äußerungen. Drei Monate
später bat er den Papst, ihn von seinem Keuschheitsversprechen zu
befreien. "Ich bin nicht für die Abschaffung des Zölibats, aber ich
bin für die Abschaffung der Pflicht zum Zölibat", sagt Hartmann, der
heute mit seiner Partnerin Sandra Dorn zusammenlebt.
Als Neunjähriger erfuhr Marco Palmiro Stoop, dass er der Sohn
eines katholischen Pfarrers ist. Eine starke innere Zerrissenheit in
der Jugend war die Folge. Als er seinen leiblichen Vater schließlich
kennenlernte, war der Schock groß: "Das Schlimmste war, dass ich
merkte: Ich gleiche ihm wie ein Ei dem anderen. Ich habe mich da nur
noch gehasst." Annäherungsversuche endeten in Ablehnung und
Enttäuschung, was Marco Palmiro Stoops Leben bis heute prägt.
Was kann passieren, wenn Menschen ihre Sexualität aufgrund eines
Keuschheitsgelübdes dauerhaft unterdrücken? Professor Rotraud Perner
meint: "Der Zwang, zölibatär zu leben, ist unmenschlich und mit der
Bibel nicht zu vereinbaren". In die Praxis der Psychotherapeutin und
Sexualforscherin kommen auch betroffene Priester - und deren Opfer.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Georg Bruder (0711/929-13701).
Pressekontakt: Bruno Geiler, Tel. 07221 929 23273,
bruno.geiler(at)SWR.de