PresseKat - "Internet ist gleich mit Essen" - Studie zur Bedeutung der digitalen Medien für das Leben

"Internet ist gleich mit Essen" - Studie zur Bedeutung der digitalen Medien für das Leben und Überleben von unbegleiteten Flüchtlingskindern

ID: 1297548

(ots) - Digitale Medien spielen für das Leben und Überleben
von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine zentrale Rolle,
insbesondere während der Flucht und nach der Aufnahme in Deutschland.
Während ihrer Flucht dienen Mobiltelefone und soziale Netzwerke vor
allem dazu, Fluchtwege zu organisieren, Kontakt mit der Familie
aufzunehmen, Notrufe abzusetzen, und relevante Informationen über
Fluchtwege durch Nachrichtenaustausch und Navigations-Apps zu
erhalten. In Deutschland stehen für sie die Kommunikation mit der
Familie, das Erlernen der deutschen Sprache, der Austausch mit
Gleichaltrigen und die Information über Nachrichten im Vordergrund.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer explorativen Studie der
Universität Vechta und des Deutschen Kinderhilfswerkes über die
Nutzung digitaler Medien durch unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge.

"Insgesamt sind digitale Medien und Dienste für die soziale und
bildungsbezogene Teilhabe der jungen Flüchtlinge immens wichtig und
alternativlos. Gleichzeitig sind sie nur unter erschwerten
Bedingungen verfügbar, da in den Inobhutnahmeeinrichtungen Internet
und Computer wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt für die jungen
Flüchtlinge zugänglich sind - teils aus technischen, teils aus
erzieherischen Gründen. Dabei eröffnet der Zugang zu den digitalen
Medien in vielerlei Hinsicht integrierende Potenziale - über die
Verbindung mit Peers aber auch mit Fachkräften, das Erlernen der
Sprache, die Orientierung in der Aufnahmekultur und den neuen Orten.
Digitale Medien haben sowohl eine verbindende Funktion, im
Kontakthalten mit der Herkunftsfamilie, Verwandten an anderen Orten
und Peers, als auch eine Brückenfunktion in die Aufnahmegesellschaft.
Deshalb brauchen gerade unbegleitete Flüchtlingskinder einen besseren
Zugang zu digitalen Medien als bisher", sagt Prof. Dr. Nadia




Kutscher, Professorin für Soziale Arbeit und Ethik an der Universität
Vechta.

Die berichteten Nutzungsweisen der jungen Flüchtlinge verweisen
darauf, dass die Nutzung von Diensten wie Facebook, Viber, Skype,
YouTube oder Whatsapp sie in datenschutzmäßig prekäre Angebote führt,
in denen in weitgehendem Maße personenbezogene Daten gesammelt
werden. Auch die Nutzung kostenfreier WLAN-Hotspots ist mit der
Angabe solcher Daten verbunden. In den Interviews zeigen sich
teilweise äußerst geringe Kenntnisse datenschutzrelevanter Aspekte in
der Mediennutzung, so dass die Frage, wie Kinder- und
Jugendhilfeeinrichtungen sich zu diesen medienerzieherischen Fragen
verhalten, relevant wird.

"Mit Blick auf die besondere Bedeutung digitaler Medien für
unbegleitete Flüchtlingskinder wird deutlich, dass an zwei
Stellschrauben gedreht werden sollte. Zum einen braucht es eine
digitale Grundausstattung der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen,
und zum anderen sollte eine befähigende Medienbildung fest in den
Aufnahmeeinrichtungen verankert werden. Dazu ist geschultes Personal
notwendig, das die Medienbildung der Flüchtlingskinder risikobewusst
begleitet. Kinder und Jugendliche dürfen bei der Kommunikation im Web
2.0 nicht alleine gelassen werden, und ihre informationelle
Integrität besser geschützt werden. Das gilt für Kinder und
Jugendliche in Deutschland insgesamt, und aufgrund ihrer besonderen
Lebenssituation ganz besonders für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen
Kinderhilfswerkes.

Die Studie stellt auch fest, dass sich parallel zur hohen
Bedeutung digitaler Medien Widersprüche hinsichtlich der
Verfügbarkeit von Internetverbindungen, der Datenschutzbedingungen,
unter denen die Medien von den jungen Flüchtlingen und Fachkräften
genutzt werden, sowie der kaum relevanten Nutzung von
fachspezifischen Angeboten für Flüchtlinge über digitale Medien
zeigen. In den Inobhutnahmeeinrichtungen ist in den wenigsten Fällen
Internet für die Jugendlichen zugänglich, da entweder riskantes
Mediennutzungsverhalten befürchtet wird, keine (Re-)Finanzierung in
den Budgets der Einrichtungen vorgesehen ist oder restriktive Regeln
zum Beispiel bei der Nutzung von WLAN nur innerhalb bestimmter
Zeiten gelten. Dies führt einerseits dazu, dass die
Kontaktmöglichkeiten zu den Familien eingeschränkt oder äußerst
kostenintensiv für die Jugendlichen sind. Andererseits stehen den
Jugendlichen in den Einrichtungen oftmals nicht ausreichend Computer
für die Erledigung von Schulaufgaben zur Verfügung. Im Kontrast zu
den restriktiven Mediennormen in den Einrichtungen berichten die
Jugendlichen aus vielen Einrichtungen darüber, dass die Fachkräfte
mit ihnen über digitale Medien, insbesondere Whatsapp, kommunizieren.
Dies ist insofern bemerkenswert als einerseits relativ streng mit
Mediennutzung umgegangen wird, andererseits datenschutzrechtliche
Aspekte mit der Nutzung von Whatsapp in institutionellen und
fachlichen Zusammenhängen Standards des Klientendatenschutzes
verletzen.

In den Interviews wurden die jungen Flüchtlinge auch gefragt, ob
sie im Netz rund um Asylverfahren und Ankommen in Deutschland
hilfreiche Informationen gefunden haben, die ihnen das Einleben in
Deutschland erleichtern. Alle Befragten bekundeten Interesse an
solchen Angeboten, berichteten aber fast ausschließlich von
nichtfachlichen bzw. kommerziellen Diensten (Facebook als
Nachrichtenbörse, Google als Übersetzungstool, Navigationshilfe und
Suchmaschine etc.) und gaben auf Nachfrage an, dass ihnen speziell
für sie entwickelte Informationsbroschüren unbekannt sind.

Im Mittelpunkt der explorativen Studie zur Nutzung digitaler
Medien durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge steht die Frage,
wie diese vor, während und nach der Flucht digitale Medien nutzen, um
u.a. Kontakte mit ihrer bisherigen Heimat aufrechtzuerhalten, neue
Kontakte zu knüpfen, sich im Aufnahmeland zu orientieren und nach
Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen. In 17 Interviews und einer
Gruppendiskussion mit fünf jungen Flüchtlingen im Alter von 15 bis 19
Jahren, die derzeit in verschiedenen Einrichtungen der Kinder- und
Jugendhilfe leben (Inobhutnahmeeinrichtung, Clearinghaus, betreutes
Wohnen, stationäre Wohngruppe), wurden diese zu ihrer Nutzung
digitaler Medien befragt. Die Erhebung fand in verschiedenen Städten
in Deutschland statt.



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Datum: 09.12.2015 - 10:00 Uhr
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