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"Windkraft, ja bitte. Aber nicht vor meiner Tür!" / Die irrationale Meinungsvielfalt in deutschen Köpfen

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(ots) - In einer zunehmend komplexen Welt kann
es schwer fallen, zu persönlichen Standpunkten zu gelangen und diese
zu vertreten: Viele Bürger ändern ihre Meinungen etwa zu Energie,
Mobilität und Lebensmitteln nach eigenen Angaben häufig und meinen,
dies auch bei anderen beobachten zu können. Das ergab eine von
rheingold salon durchgeführte, repräsentative Studie im Auftrag der
Heinz Lohmann Stiftung.

Vier von fünf Bundesbürgern glauben, dass viele gesellschaftliche
und wirtschaftliche Zusammenhänge für Laien heute kaum noch zu
verstehen sind und haben Schwierigkeiten, eine eigene Meinung zu
entwickeln. Eine Konsequenz dieser Unsicherheit, die das Expertenteam
um Jens Lönneker, Psychologe und Geschäftsführer der
Marktforschungsagentur rheingold salon, feststellen konnte, ist die
Meinungsvielfalt in den Köpfen: Ein und derselbe Bürger entwickle und
vertrete je nach Kontext unterschiedliche Meinungen und
Verhaltensweisen zu ein und demselben Thema. So schließe zum Beispiel
die verbreitete Überzeugung, dass Benzin eingespart werden sollte
(ca. 80 Prozent), bei vielen (ca. 40 Prozent) den Wunsch nach
Fahrspaß mit schweren Autos nicht aus. Eine zustimmende Haltung zu
Ökostrom verbiete es laut Studie ebenso wenig, sich im privaten
Haushalt für den günstigsten Stromtarif zu entscheiden. Auch der
Widerspruch zwischen Sehnsucht nach bäuerlicher Idylle in der
Lebensmittelerzeugung und stets preisbewusstem Einkaufsverhalten
bleibe am Supermarktregal ungelöst. "Solche irrationalen Koexistenzen
sind ein Kind unserer Zeit", konstatiert Studienautor Lönneker, der
seit mehr als 20 Jahren Konsumverhalten erforscht. Als Folge sehen
viele der von rheingold salon befragten Experten einen
Entwicklungsstillstand: Jede tragende Entscheidung rufe sofort Gegner
und langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen auf den Plan.





Emotionalisierung wächst: Bürger vertrauen am ehesten Betroffenen,
NGOs, aber auch unabhängigen Experten

Die irrationale Koexistenz von Meinungen seien eine Folge der
zunehmenden Emotionalisierung des öffentlichen Raums, so die Studie.
Traditionell müssten Argumentationen im öffentlichen Raum in der
Sache durch Rationalität überzeugen. Seit Jahren gewinnen laut Studie
jedoch Emotionen auch für die öffentliche Meinungsbildung an
Bedeutung. Privates werde heute zunehmend öffentlich, nicht zuletzt
durch die digitalen Medien, beobachtet Lönneker. Zugleich
interessieren sich Bürger mehr für die private Seite von Personen,
die in der Öffentlichkeit stehen: So bestätigen 79 Prozent der
Befragten, dass sie Politiker mögen, die "auch einmal Gefühle zeigen
und sich nicht immer 100 Prozent im Griff haben". Höchste
Glaubwürdigkeit (80 Prozent) sprechen die Befragten den Betroffenen
eines Problems zu, also denjenigen, die emotional am stärksten
verwickelt sind. Denn Emotionen seien zunächst einmal "echt" und
"authentisch". "Und im Reich der Emotionen können Widersprüche
nebeneinander existieren, die Regeln der Logik gelten hier nicht", so
der Psychologe. Deutlich weniger Glaubwürdigkeit genießen hingegen
Wirtschaft (25 Prozent) und Politik (20 Prozent), die im Empfinden
der Befragten die öffentliche Meinung im Zweifel gegen diese
emotionalen Befindlichkeiten der Menschen gestalten wollen. Medien
(40 Prozent) werden hier etwas besser beurteilt, während NGOs (79
Prozent) sowie Wissenschaftler aus Institutionen (70 Prozent) und
unabhängige Experten (81 Prozent) beste Glaubwürdigkeitswerte
erzielen.

Wer Meinung mitgestalten will, muss auch emotional überzeugen

Diese vergrößerte Macht des Emotionalen und Privaten fordere alle,
die von der Gunst der Öffentlichkeit abhängig sind, zum Umdenken,
folgert Lönneker. "Wer in einer Demokratie heute etwas bewegen will,
muss die Öffentlichkeit nicht allein in ihrer Rationalität, sondern
auch in ihren Gefühlen ansprechen", so Lönneker: "Unternehmen tun in
ihrer Öffentlichkeitsarbeit gut daran, sich mit den emotionalen
Wurzeln ihrer eigenen Branche und ebenso mit den Wünschen und Ängsten
ihrer Kunden auseinanderzusetzen."

Zahlen, Fakten und authentische Bilder

Verbraucher assoziieren verschiedene Branchen mit spezifischen
Sphären des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens, wie die
Studie weiter offenlegt. So werden an der Energiewirtschaft zugleich
die Formen des Zusammenlebens in einer Gesellschaft ausgehandelt:
Wollen wir dem Können großer Stromkonzerne vertrauen oder möchten wir
lieber bürgernahe, dezentrale Stromangebote? Wer über die
Automobilindustrie diskutiert, bringt dagegen auf emotionaler Ebene
meist die Frage nach seiner ganz persönlichen Freiheit und Autonomie
mit ein. Besonders in der Lebensmittelwirtschaft ist eine Verquickung
von persönlichen Wünschen und Ängsten mit Fragen der Herstellung
verbunden: Wie will ich sein? Wie will ich werden? Emotionale Bilder
von historisch-bäuerlichen Erzeugungsformen und ländlicher Idylle
werden als wohltuender Gegenentwurf zu den ungeliebten und als Stress
empfundenen Strukturen des eigenen Arbeitsalltags empfunden.
Nichtsdestotrotz greift eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung beim
Einkauf zu Lebensmitteln aus genau den modernen Erzeugungsformen, die
sie emotional ablehnt. Entsprechend häufig halte die
Lebensmittelwirtschaft als Sündenbock auf dem Feld der öffentlichen
Meinungsbildung her, so Lönneker zum psychologischen Phänomen des
Sündenbockmechanismus (engl. scapegoating), das besonders im
Zusammenhang mit Lebensmitteln und Ernährung häufig auftrete. So
geben 61 Prozent der Befragten an, sorgenfrei einzukaufen, zugleich
glauben 84 Prozent an einen Anstieg von Lebensmittelskandalen in der
Zukunft.

In den vergangenen Jahren warben Lebensmittelunternehmen jenseits
des Produktmarketings vor allem mit Zahlen und Fakten um Zustimmung
und Akzeptanz für ihr unternehmerisches Handeln. "Das reicht nicht",
erklärt Lönneker: "Wir müssen verstehen, warum Bilder von bäuerlicher
Idylle den Bürger mehr überzeugen als Bilder von hocheffizienten und
ebenso nachhaltigen modernen Produktionsformen." Zukunftsaufgabe für
Lebensmittelunternehmen sei es, ihre Kunden sowohl sachlich aber eben
auch emotional von sich zu überzeugen: "Wir brauchen neue,
authentische Bilder für die öffentliche Diskussion."

Die vollständige Studie können Sie hier herunterladen:
http://www.phw-gruppe.de/stiftung.html

Über die Studie:

Im Rahmen der Studie wurden über 50 Entscheider aus den Bereichen
Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Medien, Verbände,
Lobby-Organisationen und NGOs im weiteren Sinne in anderthalb- bis
zweistündigen psychologischen Tiefeninterviews exploriert.

In einem zweiten Schritt wurden die qualitativen Erkenntnisse aus
den Interviews anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe
quantifiziert. Dazu wurden im Frühjahr 2015 1.000 Personen zwischen
18 und 69 Jahren mithilfe eines Online-Panels befragt.

Über die Heinz Lohmann Stiftung

Die PHW-Gruppe, der die Lohmann & Co. Aktiengesellschaft
(Rechterfeld) angehört, gründete 1997 die gemeinnützige Heinz Lohmann
Stiftung GmbH mit Sitz in Rechterfeld, südwestlich von Bremen. Die
Stiftung fördert die Wissenschaft und Forschung über die Zukunft der
Ernährung und des Ernährungsverhaltens sowie die Publikation ihrer
Ergebnisse. Arbeitsgebiete sind die Verbesserung der Qualität von
Lebensmitteln, die Optimierung ihrer Produktionsbedingungen und die
Erforschung des Verbraucherverhaltens hinsichtlich der
Stiftungszwecke. Die Stiftungsgesellschaft dient ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.

Die Stiftung vergibt ernährungswissenschaftliche Aufgaben an
Diplomanden und Doktoranden. Sie unterstützt die wissenschaftliche
Forschung an Hochschulen und Instituten und organisiert
internationalen Wissenstransfer zu Stiftungsthemen. Regelmäßig
veranstaltet die Heinz Lohmann Stiftung Symposien zu aktuellen Themen
der Ernährungswissenschaft und / oder -praxis.



Pressekontakt:
Engel & Zimmermann AG, Unternehmensberatung für Kommunikation, Frank
Schroedter, Schloss Fußberg, Am Schlosspark 15, 82131 Gauting, Tel.
089 / 893 563 3, Fax: 089 / 89 39 84 29, info(at)engel-zimmermann.de


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Datum: 22.10.2015 - 10:00 Uhr
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Rechterfeld / Köln



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