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In diesen Tagen steht der Adventskranz in vielen Wohnzimmern und
erhellt mit seinem Licht die langen dunklen Wintertage vor dem
Weihnachtsfest. Die vier Kerzen auf dem Kranz aus Tannenzweigen
symbolisieren die vier Adventssonntage. Doch wer hat den Adventskranz
eigentlich erfunden? Johann Hinrich Wichern (1808-1881), Theologe aus
Hamburg und Gründer des Rauhen Hauses, hatte vor 175 Jahren die
zündende Idee, mit einem Kranz aus Kerzen die Zeit des Wartens auf
Weihnachten nachvollziehbar zu machen.
Vielleicht war Johann Hinrich Wichern an diesem trüben Wintertag
im Jahr 1839 mit seinem Latein am Ende. Der Theologe hatte es sich
zur Aufgabe gemacht, verwahrloste und verwaiste Kinder und
Jugendliche aus den Hamburger Elendsvierteln zu betreuen; Kinder, die
ihn und seine Helfer oft an ihre Grenzen brachten. Ohne Zwang und
Schläge, sondern mit Gemeinschaft, Arbeit, dem Lesen der Bibel
sollten die Kinder erzogen werden.
Sechs Jahre zuvor war Wichern in ein altes Bauernhaus, Das Rauhe
Haus, gezogen und hatte seine Arbeit begonnen. Ende 1833 betreute er
bereits 14 Jungen zwischen fünf und 18 Jahren - Kinder, die bis dahin
in ihrem Leben auf der Straße Gewalt, Hunger und Armut erlebt hatten,
die logen und stahlen.
Die Adventszeit war im Rauhen Haus eine besondere Zeit der
Erwartung, mit täglicher Andacht und Singstunde. Aber wie konnte man
den ungestümen, schwierigen Kindern das Warten aufs Weihnachtfest
verkürzen, ihnen die Adventszeit als Zeit des Wartens verständlicher
machen? Vielleicht, indem es jeden Tag bis Weihnachten ein wenig
heller und wärmer wird, mag sich Wichern an diesem Wintertag gedacht
haben.
Sein erster Adventskranz bestand aus einem hölzernen Wagenrad, auf
dem vier dicke weiße Kerzen für die Sonntage und kleine roten Kerzen
dazwischen für die Werktage angebracht waren. An jedem Tag, vom
ersten Advent bis zum Weihnachtsfest, wurde eine Kerze entzündet,
Advent als der Weg des Lichts wurde auch für die Kinder begreifbar.
1860, mehr als zwanzig Jahre nach der ersten Adventskranzentzündung
wurde der hölzerne Kranz mit Tannengrün geschmückt, Zeichen der
Hoffnung und des Lebens.
Doch erst nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich in Deutschland die
Idee durch, auch zuhause christliche Symbole zu zeigen. Die ersten
Adventskränze wurden angeboten, allerdings in abgespeckter Version:
Wicherns wagenradgroßer Kranz mit seinen vielen Kerzen war für eine
Bürgerstube viel zu groß, bei einem kleineren Kranz hätten sich die
Kerzen gegenseitig zum Schmelzen gebracht. Die Lösung war der Kranz,
wie wir ihn heute kennen, ohne Werktagskerzen und mit den roten
Kerzen - als Farbe für die Liebe Gottes - für die Sonntage.
Heute ist der Advent ohne Kranz kaum vorstellbar. Es gibt sie in
allen Farben, den unterschiedlichsten Materialien, mit echten oder
Kunstlicht-Kerzen - immer sind es vier. Beim Rauhen Haus in Hamburg
wird auch in diesem Jahr wieder der klassische Kranz entzündet, mit
großen weißen Kerzen für die Sonntage und mit kleinen roten
Werktagskerzen - wie zu Wicherns Zeiten (www.rauheshaus.de).
Johann Hinrich Wichern: Theologe und Pädagoge
Die Arbeit des großen Pädagogen Johann Hinrich Wichern ist heute
aktueller denn je. Mehr als dreitausend Menschen werden heute in der
Stiftung Das Rauhe Haus von rund tausend Mitarbeitern ausgebildet und
betreut.
Wichern war Gründer und erster Vorsteher des Rauhen Hauses und
Initiator der Inneren Mission, also der heutigen Diakonie. Er war
auch ein guter Pädagoge, der sich in die hilfsbedürftigen Kinder und
Jugendlichen hineinversetzen konnte. Mit 15 hatte Wichern selbst den
Vater verloren. Als Ältester war er für seine sechs Geschwister
verantwortlich; tagsüber arbeitete er, nachts lernte er, zuerst für
die Schule, dann für das Studium der Theologie.
Seine Idee, verwahrloste Jugendliche in einer Gemeinschaft von
Brüdern, wie er seine Helfer nannte, aufwachsen zu lassen, war
revolutionär und traf auf viel Resonanz. Wichern erkannte die Not im
eigenen Land und die Notwendigkeit, in Verbindung von Glaube und
Liebe den Elenden im Land zum Leben zu helfen. Die Kinder und
Jugendlichen sollten einen Beruf erlernen, selbständig werden und
Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen können - Hilfe zur
Selbsthilfe, eine sehr moderne Haltung.
Pressekontakt:
Abdruck honorarfrei. Beleg erbeten. Autorin: Misha Leuschen
Ansprechpartnerin: Ulrike Großbongardt, Das Rauhe Haus, Stabsstelle
Kommunikation, Beim Rauhen Hause 21, 22111 Hamburg, Tel. 040 / 655
91-113, ugrossbongardt(at)rauheshaus.de