Auf einmal las der Gründer einer 
Willkommensinitiative für Flüchtlinge seine eigene Todesanzeige auf 
Facebook. Eine ziemlich makabre Form von "Hass im Netz", die 
Buchautorin Ingrid Brodnig als Beispiel in ihrer Keynote auf den 15. 
Augsburger Mediengesprächen schilderte. Es zeigt,  ...

09.11.2017

Was hilft gegen Hass im Netz? / Kontroverse Diskussionüber Gegenstrategien auf den 15. Augsburger Mediengesprächen


Auf einmal las der Gründer einer
Willkommensinitiative für Flüchtlinge seine eigene Todesanzeige auf
Facebook. Eine ziemlich makabre Form von "Hass im Netz", die
Buchautorin Ingrid Brodnig als Beispiel in ihrer Keynote auf den 15.
Augsburger Mediengesprächen schilderte. Es zeigt, welche Aggressionen
sich bei gesellschaftlichen Streitthemen entladen können.
Medienexperten, Politiker, Kriminologen, Lehrer und Betroffene
diskutierten gestern auf Einladung der Augsburger Medien, der Stadt
Augsburg und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien über die
Frage, was wir gegen Beleidigungen und Hetze im Netz tun können.

"Hass im Netz" könne uns alle treffen, betonte BLM-Präsident
Siegfried Schneider zum Auftakt. Ob Hatespeach oder Cybermobbing:
"Beides sind Formen digitaler Gewalt im Netz", die schon längst das
Stadium des rauen Umgangstones verlassen hätten. Die Adressaten der
Hassbotschaften sähen sich an den "digitalen Pranger" gestellt. Der
Unterschied zum Mittelalter: "Die Betroffenen wissen häufig gar
nicht, warum sie beschimpft oder bloßgestellt werden und wer dies
tut." Die Anonymität des Netzes erhöhe die Aggressionsbereitschaft,
bekräftigte auch Eva Weber, Bürgermeisterin der Stadt Augsburg. Mit
Webers Frage "Wird Gewalt salonfähig?" setzte sich Brodnig in ihrem
Einführungsvortrag auseinander. Sie sieht vor allem drei Gründe für
die Härte im Netz: Unsichtbarkeit, fehlende Konsequenzen und die
Belohnung von Rüpeln.

Die Grenze der Meinungsfreiheit ist laut Brodnig schnell
überschritten: "Meinungsfreiheit umfasst nicht das Recht, jederzeit
und überall andere Menschen zu belästigen." Als Gegenstrategien
empfiehlt sie dem Staat die konsequente Anwendung von Gesetzen und
jedem Einzelnen das Zeigen von Zivilcourage.

Hilft es auch, einfach den Laptop zuzumachen? So hatte


Journalistin Ronja von Rönne auf ihren ersten Shitstorm reagiert. Sie
versuchte, die Hetzattacken nicht so persönlich zu nehmen, sondern
als Projektionsfläche für Frustrationen zu sehen. Das Abreagieren von
Frustrationen und Mobbing unter Jugendlichen und Erwachsenen gab es
schon immer, darüber war sich das Podium in Augsburg einig.
Allerdings hätten die menschenverachtenden Kommentare auf
Internetplattformen wie YouTube und sozialen Netzwerken aufgrund der
hohen Reichweite eine andere Wirkung, gab Stefan Glaser von
jugendschutz.net zu bedenken. Insbesondere im politischen Extremismus
werde Hass als ideologische Strategie eingesetzt, berichtete Glaser,
der auch Vorstandsmitglied im "network against cyberhate" ist. Vor
allem Kinder und Jugendliche müssten deshalb lernen, dieses Phänomen
einzuordnen. Glaser forderte die Ãœbernahme von mehr Verantwortung
durch die Plattformen, Prävention durch Medienkompetenzvermittlung
und mehr Solidarität mit Betroffenen.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gibt es seit 1.
Oktober 2017 härtere gesetzliche Normen gegen Hass im Netz. Auch wenn
der Druck auf die Plattformbetreiber dadurch erhöht werde, habe das
NetzDG Schwachstellen, meinten die meisten Podiumsteilnehmer. Das
Gesetz sei mit "heißer Nadel gestrickt" und müsse nachgebessert
werden, kritisierte Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im
Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien. Die starren
Löschfristen seien nicht praktikabel. Fragwürdig sei auch die
Verantwortung der Internetunternehmen selbst für das Löschen von
Inhalten. Außerdem helfe nationale Gesetzgebung als Mittel gegen
Hassbotschaften im globalen World Wide Web nur begrenzt. "Allein mit
neuen Gesetzen kommen wir nicht weiter", sagte Pschierer, der für
eine stärkere Sensibilisierung der jungen User für den Umgang mit
Hass im Netz plädierte.

Mehr gesetzliche Normierung forderte dagegen Cyberkriminologe
Thomas-Gabriel Rüdiger vom Institut für Polizeiwissenschaft. Wir
hätten es als Gesellschaft bis heute nicht verstanden, uns im
digitalen Raum an Regeln und Gesetze zu halten, sagte Rüdiger. Am
Rechtsstaat im Internet herrsche kein Interesse, viel zu wenige Fälle
würden bisher angezeigt. Auf die Frage von Moderatorin Sandra Rieß,
ob die Gefahr bestehe, dass sich Hass im Netz auch auf die analoge
Welt überträgt, antwortete Rüdiger. "Wenn du im Netz das Gefühl hast,
dass du machen kannst, was du willst, entwickelt sich ein
Enthemmungsprozess." Seine Frage ans Podium: Wollen wir eigentlich,
dass die Hater ihre Meinung ändern oder wollen wir, dass Kinder und
Jugendliche nicht mehr damit konfrontiert werden?

Gerade die jungen Menschen bräuchten Unterstützung mit Blick auf
das lange nicht ernst genommene Problem Cybermobbing, so die
Erfahrung von Gertrud Nigg-Klee, 1. Vorsitzende des Bayerischen
Lehrer- und Lehrerinnenverbandes im Bezirk Schwaben. Die verbindliche
Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule könne helfen, viel
wichtiger aber sei noch die Stärkung der Sozialkompetenz der Kinder
durch die Schulsozialarbeit. Wie wichtig - gepaart mit
Sozialkompetenz - das Durchschauen der Mechanismen in der digitalen
Welt ist, betonte Ronja von Rönne: "In einer Welt, in der alles
bewertet wird, muss man erstmal checken, dass man Menschen z.B. nicht
in drei Kategorien steckt und danach bewertet."

Mehr Informationen und Fotos im Internet unter
https://medienpuls-bayern.de/event/augsburger-mediengesprache-7



Kontakt:
Bettina Pregel
Stellv. Pressesprecherin
Tel.: (089) 63808-318
bettina.pregel@blm.de

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