PresseKat - FDR 2010 - 15. Festival Rumänischer Dramaturgie. Kein Geld - keine Qualität?

FDR 2010 - 15. Festival Rumänischer Dramaturgie. Kein Geld - keine Qualität?

ID: 193765

Das nationale rumänische Dramaturgie Festival ist nach 10 Tagen in Timisoara, im Nordwesten von Rumänien, im Raum Siebenbürgen, dem deutsch-ungarisch-serbisch-rumänische multikulturelle europäischen Umfeld, zu Ende gegangen. Wie sollte ich am besten vorgehen, in die Pflicht genommen, ein Festival dieses Ausmaßes zu beschreiben, in Bedeutung und in Tragweite ein ganzes Land einzuordnen?

(firmenpresse) - Würde ich mich im Herausfinden und Aufzählen von Schwächen ergehen oder in ständigen Verrissen von Stücken, zu denen ich keinen Zugang habe meine Befriedigung finden, dann wäre ich ein selbstgefälliger und selbstsüchtiger Kritiker von der Sorte, die die wertvollen Plätze in den Aufführungen warmhalten und den wirklichen Verstehern ständig wegnehmen. Ich bin kein Kritiker und will es auch nicht sein.

Sollte ich wieder die Positiva suchen, finden und beschreiben, die Sorgen und Nöte beleuchten, denen sich die Theater, die jungen Regisseure und die Darsteller ausgesetzt sehen, seien es finanzielle, politische, religiöse oder die von Minderheiten, dann werde ich ganz sicher wieder einmal von nichtsnutzigen Leuten, die nichts verstehen wollen oder/und vor allem nichts dazulernen können, beschimpft und mit Nachreden übelster und primitivster Art überschüttet. Was soll ich nur tun?

Diese Frage fällt mir nicht schwer zu beantworten: Ich distanziere mich von denen, die sich zum Kritiker von Gottes Gnaden berufen fühlen, will einfach nicht dazugehören, obwohl ich es qua Beruf wohl müsste. Lieber bleibe ich der Berichterstatter, der seit einigen Jahren das neue Rumänien beschreibt, seine Qualitäten herausstreicht, sein Engagement in Sachen Freiheit und Offenheit, politischer Unverbogenheit und Diversity beschreibt, um so Positives aus dem neuen EU-Mitgliedsland in den Westen zu spedieren: Rumänien ist mehr als sein negatives Image, das sich wie ein Krebsgeschwulst durch die Medien und von Mund zu Mund verbreitet.

Auch wenn ich jetzt wieder von manch einem Kritiker mit bösen Kommentaren überschüttet werde, so möchte ich mich der Meinung des Publikums anschließen und bereits zu Beginn feststellen:
Es war ein Festival-Erlebnis, das ich in Timisoara, Nordwest Rumänien und weit weg von der Hauptstadt Bukarest anschauen konnte. Und so starte ich meinen Bericht mit den beiden Rahmenveranstaltungen des FDR 2010, den getanzten und gesprochenen Erinnerungen von Mateiu I. Caragiale aus dem Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, von Razvan Mazilu choreographisch in Szene gesetzt, von Ion Rizea in Gestalt des Erzählers interpretiert und von Dionisis Christofilogiannis ausgezeichnet in eine Videocollage eingebracht. Als Kontrast verstand sich Pal Frenak, der mit einer sehr "intimen" zeitgenössichen Choreographie in aneinander gereihten Bildern menschlicher Begegnungen und Berührungen in höchst erotischer Atmsphäre dem Publikum anfänglich den Atem stocken ließ, bevor es in Beigesterbungsstürme ausbrach.





Am Ende dieses Festivals, das Theaterchefin Ada Hausvater und "Performance-Scout" Michaela Michailov zu verantworten hatten, ließ aufatmen, machte klar, dass auch das rumänische Publikum dem zeitgenössichen Geist von Theater näher zu kommen gewillt ist. Was im Fall der Frenak Company wie das Fortschreiben der westlichen sexuellen Revolution im Osten der EU anmutete, war bei Michailovs eigenem Stück "Wie Barbie die Weltkrise durchlebt" in der Inszenierung von Alexandra Badea noch deutlicher zu spüren. Das Stück war dicht am aktuellen Leben, Bedürfnis und Konsumverhalten unserer Bevölkerung angesiedelt. Auswirkungen von Globalisierung und Kommerz wurden von der in Paris lebenden Regisseurin Alexandra Badea höchst beeindruckend inszeniert. Die Barbie-Welt erfuhr eine echte, eine wahrhaftige Transposition mit Hilfe von technischen Mitteln, wie Ton, Licht, Video, einer leibhaftigen "Barbie-Darstellerin" und unter Einsatz eines "Conferenciers"aus der Enge der "Puppenkästen" auf der Bühne in den Zuschauerraum. Die FDR-Besucher in Timisoara nahmen Teil an dieser dramaturgischen Problembewältigung unseres heutigen Alltags in Rumänien gleichwohl wie im Westen. Dass Barbie bereits 51 Jahre alt ist, zählt nicht. Das Barbietum wird auch noch weiter 50 Jahre gültig sein.

Einen völlig anderen Umgang mit Konsum und Kommerz brachte das Musical "Supermarkt" über die Theaterrampe. Musikalisch, schauspielerisch und gesanglich sehr erfrischend bewies diese "Off-Theater-Produktion" aus Bukarest, dass das "handgemachte" Musical eine Überlebenschance hat, besonders im Auge des westlichen Betrachters, der der bombastischen, technisierten Großproduktionen aus der US-Disney-Werkstatt, von Andrew Lloyd Webber, Boublil/Schönberg oder von Elton John restlos überdrüssig ist. Ein Bravo auch für die schwungvolle Inszenierung, die ebenfalls in der Hand der Texterin Theo Hergheleglu lag. Frisch, spritzig, unterhaltsam, eine englische oder deutsche Übersetzung muss unbedingt her. Das Stück gehört nach London , Berlin oder Köln.

Die Begeisterung steigerte sich nicht nur beim Schreiber dieses Artikels. 20/20 von Gianina Carbunariu geschrieben und inszeniert setzte sich kritisch unterhaltsam mit dem rumänisch-ungarisch etnischen Zwiespalt auseinander, einer bislang eher weniger bearbeiteten Thematik. Der Workshop-Charakter dieser Inszenierung war sicher gewollt, wurde von der Regisseurin eingehend beschreiben, was aber über handwerkliche Schwächen nicht hinwegtäuschen konnte. (Selbst Altmeister Peter Brook wurde im Alter Opfer seines Minimalismus-Ruhms, was er in Kroatien mit einer Shakespeare-Inszenierung beim Libertas Sommer-Festival Dubrovnik leider bewiesen hat.) Text, Text und noch einmal Text ist nicht das alleinig Seligmachende bei einer Inszenierung. Die bilinguale Ausarbeitung in Rumänisch und Ungarisch, jeweils in der anderen Sprache übertitelt, machte den Abend jedoch zu einem runden Ereignis. "Stop the Tempo", ein bewährtes Stück derselben Autorin, ein Beitrag aus Tirgu Mures, mag hier auch positiv erwähnt sein, ebenso wie "Im Container" von Constantin Cheianu aus dem Oden Theater in Bukarest in der Regie von Christian Ban.

Der junge Regisseur wird allseits hoch gelobt, seine neuen Ideen von Publikum geliebt. Seine Inszenierung von Carmen Dominetes "Bye Bye, America" konnte aber noch nicht an die Regieleistung eines Radu Afrim heranreichen; doch die Schau erweckte Neugier darauf, weitere spannende neue Arbeiten von Christian Ban anzuschauen. ROMANIA! TE PUP von Bogdan Georgescu in der Regie von David Schwarz hat bereits seinen Weg von Rumänien in den Westen angetreten. Ich erinnere mich sehr gerne an die Diskussionen, die letztlich dazu geführt haben, das Stück im Juni 2010 im Festival "Neue Stücke aus Europa" in Wiesbaden/Deutschland zu präsentieren.

"Viata Lights, Moarte Fara Filtru" von Andrei Ursu entpuppte sich in der Regie von Felix Crainicu nicht als ein Festivalrenner. Doch sollte man diese Inszenierung gesehen haben, auch schon wegen der Videoarbeiten von Dionisis Christofilogiannis. Kurzfristig den Ionesco Klassiker "Die kahle Sängerin" vom Deutschen Staatstheater ins Programm zu nehmen, war sicher eine Bereicherung des Festivals, besonders unter dem Aspekt verbaler Vielfältigkeit in und um Timisoara, einer seit 300 Jahren funktionierenden europäischen, multikulturellen Region. Ich möchte es als Ansporn sehen, dieses wertvolle Kulturgut weiter zu pflegen und in die kommenden Generationen zu transportieren. Es ist einzigartig in Europa.

Kein Geld - keine Qualität! Dieses Urteil darf man beim FDR 2010 des Teatrul National Timisoara auf keinen Fall fällen. Die Anzahl der dargebotenen Beiträge schien geringer als beim letzten Festival, die Auswahl genügte noch einem guten Anspruch. Eine Frage blieb mir in diesem Jahr allerdings unbeantwortet. Wo sind die "Fauves", die jungen, unkonventionellen Schreiber mit neuen, jungen, wilden Stücke brandheißer politischer und gesellschaftlicher Aktualität? Wo finde ich in Rumänien die "Off-Szene", das experimentelle Theater, die das Establishment ablehnen und neue Wege beschreiten. Beim Nationalen Dramaturgie Festival habe ich sie nicht gefunden, aber ich suche weiter. Finde ich sie in Arad beim UNDERGROUND Festival 2010? (http://www.undergroundfestival.ro/)
Vielleicht... ich bin sehr gespannt. ... (Dieter Topp)

weitere Informationen: www.tntimisoara.com









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Datum: 27.04.2010 - 15:39 Uhr
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