PresseKat - Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur SPD: SPD - wohin, wofür? von Reinhard Zweigler

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur SPD: SPD - wohin, wofür? von Reinhard Zweigler

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(ots) - Es gehört schon ein gehöriges Maß an
Selbstverleugnung dazu, wenn SPD-Chef Martin Schulz die unverhohlene
Kampfansage von SPD-Vize Olaf Scholz mit der Bemerkung abtropfen
lässt, man habe eigentlich mehr Übereinstimmungen als Differenzen.
Also "eigentlich" keine Probleme. Nur nimmt kaum einer Schulz diese
Schönfärberei ab. Der gescheiterte Kanzlerkandidat schwankt hin und
her. Eigentlich möchte er die SPD auf einen harten, linken
antikapitalisitischen Kurs festlegen, doch ein Großteil der SPD,
allen voran der Hamburger Scholz, will genau das nicht, sondern die
Partei auf einem pragmatischen, wirtschaftsfreundlichen Mittekurs
halten. Die SPD ist derzeit ein Widerspruch in sich. Das größte
Problem der Sozialdemokratie ist dabei ihre Ratlosigkeit, wohin sie
sich entwickeln und wofür sie stehen soll. Hatte es Schulz nach
seiner überraschenden Inthronisation als Merkel-Herausforderer und
schließlich als 100-Prozent-Vorsitzender für eine kurze Zeit
geschafft, der Partei neues Leben und so etwas wie Siegeszuversicht
einzuimpfen, so verpuffte sein Mantra von "mehr Zeit für
Gerechtigkeit" relativ rasch. Das lag freilich nicht nur daran, dass
der einstige Chef des Europa-Parlaments nicht lieferte, seine
Gerechtigkeits-Philosophie nicht sofort konkret untermauerte, sondern
auch an der sozialdemokratischsten Kanzlerin, die die Union je
hervorgebracht hat. Angela Merkel hat viele Themen der SPD flugs
vereinnahmt. Zumindest konnte sie den Anschein erwecken, dass selbst
ursozialdemokratische Projekte, wie der Mindestlohn oder die Rente
mit 63, eigentlich Merkels Anliegen waren. Die SPD in der GroKo hat
ordentlich gerackert, doch den Lohn dafür kassierte sie nicht. Und
Schulz vermochte es nicht hinreichend, die durchaus vorhandenen
politischen Unterschiede zur Union Merkels deutlich zu machen. Selbst
aus dem Kanzler-Duell wurde in weiten Teilen nur ein eher ermüdendes




Duett. Schulz war zwar zu kleinen Sticheleien fähig, doch nicht zur
großen Attacke, die Merkel wirklich herausgefordert und vielleicht
doch noch in Bedrängnis gebracht hätte. Wohl mehr aus Trotz und
Verzweiflung gab die SPD deshalb noch am Wahlabend die Losung aus:
nicht noch mal eine GroKo. Sollen sich doch andere durch die Liaison
mit der Union kleinmachen lassen. Inzwischen bekräftigte Schulz seine
Politik der kalten Schulter gegen CDU und CSU sogar noch und deutete
als einzigen Ausweg aus den Hakeleien bei den Jamaika-Verhandlungen
Neuwahlen an. Ohne das er es wollte, könnte Schulz den
schwarz-gelb-grünen Verhandlern damit das Folterwerkzeug aufgezeigt
haben. Sollten die sich nicht zu einer Jamaika-Koalition
zusammenraufen, würden sie bei vorgezogenen Wahlen ziemlich sicher
abgestraft. So oder so steht Schulz in der eigenen Partei geschwächt
da. Erst fuhr er ein brutales Wahldesaster ein, dann überrumpelte er
die Partei mit der dogmatischen Absage an erneutes Mitregieren. Und
schließlich leistete er sich eine ganze Reihe zumindest fragwürdiger
Personalentscheidungen. Der Seeheimer Kreis vom eher rechten Flügel
besetzt mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion,
Carsten Schneider - Schulz wollte dafür allerdings den
Noch-Generalsekretär Hubertus Heil -, dem Bundestagsvize Thomas
Oppermann sowie dem künftigen Generalsekretär Lars Klingbeil gleich
drei wichtige Posten. Die bisherige Bundesgeschäftsführerin Juliane
Seifert wiederum warf hin. Und die von Schulz auserkorene
Nachfolgerin, die Juso-Vorsitzende Johanna Ueckermann aus
Niederbayern, gab ihm einen Korb. Selten ist ein SPD-Chef dermaßen
angeschlagen in einen Parteitag gegangen, der Anfang Dezember
stattfindet. Sollte Schulz dort dennoch wieder gewählt werden, wäre
das kein Zeichen von Stärke, sondern Ausdruck der Unentschlossenheit
der Partei. Scholz beziehungsweise ein anderer oder eine andere
sollten Schulz herausfordern.



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Datum: 29.10.2017 - 19:56 Uhr
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