(ots) - taz-Kommentar von Ulrich Schulte zum Dauerstreit
zwischen CDU und CSU
Im Abklingbecken
Man wolle keine Gemeinsamkeit inszenieren, kommentiert CSU-Chef
Seehofer Angela Merkels Entschluss, dem CSU-Parteitag fernzubleiben.
Hinter der Entscheidung steckt aber keineswegs eine plötzlich
entdeckte Abneigung gegen Inszenierungen, sondern die Furcht vor
einem Debakel. Was, wenn die erboste CSU-Basis die Kanzlerin vor
laufenden Kameras ausbuhte? Für symbolische Harmonie ist es schlicht
noch zu früh. CDU und CSU befinden sich in der Abklingphase. Sie
köcheln vor sich hin wie zwei ausgelaugte Brennstäbe, nicht mehr
tödlich heiß, aber immer noch gefährlich.
Seehofer, stets die absolute Mehrheit in Bayern im Blick, hat den
Streit in der Flüchtlingspolitik in den vergangenen Monaten in einer
Weise eskaliert, die für die Konservativen geschäftsschädigend zu
werden droht. Doch die politische Konkurrenz, also SPD, Grüne und
Linke, sollten sich nicht zu früh freuen. Der abgesagte Merkel-Besuch
bedeutet nicht, dass der Dauerzwist weitergeht. Konservative haben
Routine darin, Differenzen zurückzustellen, wenn es um den
Machterhalt geht.
Unüberwindbar sind die Unterschiede zwischen CDU und CSU nämlich
schon lange nicht mehr. Merkel hat mit dem Türkei-Deal die
Absicherung der EU-Außengrenzen vollzogen, es kommen kaum noch
Flüchtlinge nach Deutschland, die von Seehofer gewünschte,
fragwürdige Obergrenze ist also überflüssig. Aber der CSU-Chef
braucht einen Erfolg, mit dem er seine Leute von den Bäumen holen
kann, auf die er sie selbst getrieben hat.
Hinter den Kulissen werkeln Gesandte aus den verfeindeten Lagern
längst an einem Kompromiss, den Merkel und Seehofer mit großer Geste
irgendwann verkünden werden. Sie werden nicht mehr von einer
Obergrenze, sondern von einem Richtwert, einer Orientierungsgrenze
oder etwas anderem sprechen. Um dann gemeinsam vor dem zu warnen, das
die Macht der Union wirklich bedroht - einem rot-rot-grünen
Linksbündnis.
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