(ots) - Ein Kommentar von Martin Kessler:
Viele Deutsche werden wohl einem möglichen
Friedensnobelpreisträger Helmut Kohl nachtrauern. Aber der
chinesische Dissident Liu Xiaobo hat als Vorkämpfer für mehr
Demokratie die Auszeichnung zweifellos verdient. Die Preisverleiher,
das norwegische Parlament, zeigten sich sogar ausgesprochen mutig.
Denn seit die Supermacht China ihre Interessen in aller Welt
teilweise mit Brachialgewalt verfolgt, ist die Würdigung eines
"Staatsfeindes" nicht ohne Risiko. Es ist aber nicht nur eine mutige,
sondern auch eine kluge Entscheidung. Denn Liu befindet sich nicht in
Fundamentalopposition zum Regime in China, sondern unterstützt
Reformen. Die Hinwendung des Reichs der Mitte zur Marktwirtschaft hat
er sogar ausdrücklich begrüßt. Trotz seiner Haft ist Liu offenbar
nicht verbittert. Er setzt auf die Liberalen in Chinas Führung. Denn
die Kommunistische Partei ist kein monolithischer Block. Es gibt dort
Reformkräfte, für die Bürgerrechte und Rechtsstaat keine Fremdworte
sind. Sie können nun auf das Prestige Chinas verweisen, das mit der
Inhaftierung Lius Schaden nimmt. Die Hardliner mögen die Auszeichnung
Lius als Affront empfinden. Die Liberalen haben die Chance zu
beweisen, dass sich China zu einer offenen Gesellschaft entwickelt.
Die Freilassung Lius wäre ein Schritt dorthin.
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