(ots) - Viel ist in den vergangenen Wochen und Monaten bei
der katholischen Kirche ins Wanken geraten. Der Skandal um den
Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche hat ihr
Selbstverständnis tiefgreifend erschüttert. Jahrhundertealte
Selbstgewissheit wurde Schicht für Schicht entblättert und offenbarte
hinter der Oberfläche manch falschen Glanz. Und jetzt wackelt
scheinbar auch noch eine der letzten sicher geglaubten Bastionen: das
kirchliche Arbeitsrecht.
Doch gemach. Die Straßburger Richter haben in ihrem Urteil über
den Essener Organisten die Sonderstellung des Arbeitsrechts nicht
grundsätzlich infrage gestellt. Es ist also aus juristischer Sicht
noch nicht absehbar, ob die Kirche tatsächlich alle ihre
Arbeitsverträge umschreiben muss.
Wohlgemerkt: aus juristischer Sicht. Aus menschlicher Sicht ist
sehr wohl ab-sehbar, dass das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofes
eine schmerzhafte Niederlage für die Kirche ist. Sie sollte es als
Chance verstehen und daraus lernen. Statt auf die juristische Sicht
zu pochen, sollte sie sich auf ihre ureigenen Tugenden besinnen:
Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Und ihr Arbeitsrecht endlich der
Lebenswirklichkeit der katholischen Ärzte, Kindergärtnerinnen und
Organisten anpassen. Dann ist das gestrige Urteil eimehr Menschlichkeit in der Kirche.
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