(ots) - Bekleidet nur mit rohen Fleischlappen und
Netzstrümpfen betrat Pop-Diva Lady Gaga die Bühne bei der Verleihung
der MTV Video-Preise. Sie mag gedacht haben: Ihr wollt Fleisch sehen?
Ich gebe Euch Fleisch! So hat sie den Voyeurismus der Pop-Industrie
satirisch auf die Spitze getrieben und zugleich effektvoll bedient:
Sie gab dem Publikum und der ganzen Branche, wonach sie gieren: ein
Skandälchen. Wer allerdings meint, von den übersexualisierten
Selbstdarstellungen von Rihanna und Co auf die Befindlichkeit der
jugendlichen Fans schließen zu können, dürfte ziemlich daneben
liegen. Ihre Lebensziele sind Familie, Beruf, Kinder und ein Häuschen
mit Garten. Werte wie Treue, Pünktlichkeit, Disziplin, Höflichkeit
und Respekt gelten ebenso nicht mehr als spießig wie Bausparverträge
und Lebensversicherungen, ergab kürzlich eine Jugendstudie im Auftrag
des Bundes. Reihenhaus statt Rebellion ist also angesagt. Und auch
mit dem Sex sind Jugendliche offenbar zurückhaltender geworden,
selbst wenn sie Lady Gaga geil finden. Die Shell-Jugendstudie, seit
Jahrzehnten ein Standardwerk der Jugendforschung, bestätigt dieses
Bild. Weit und breit ist nichts zu sehen von einer
Null-Bock-Generation. Trotz der Wirtschaftskrise blicken Jugendliche
weitgehend optimistisch in die Zukunft, packen ihr Leben an und sind
engagiert. Arbeit für die Gemeinschaft finden sie nicht uncool, im
Gegenteil: 30 000 junge Menschen entscheiden sich jedes Jahr
nach der Schule für ein Freiwilliges Soziales Jahr, leicht könnten
60 000 Stellen besetzt werden, doch es fehlt den Trägern an
Geld. Auch hier zeigt sich, dass die Politik es nicht versteht, diese
soziale Energie der Jugend zu nutzen. Parteienstreit schreckt sie ab,
sie verlangen nach Visionen. Dafür lassen sie sich begeistern. Das
muss nichts Großes sein, nichts Weltbewegendes. Doch konkret muss es
sein: Umweltprojekte, Tierschutz, Alten- oder Behindertenhilfe,
Theater, Sport, Musik, Nachhilfe - dies alles lässt sich mit etwas
pädagogischem Geschick einmünden in eine Vision, in eine Idee von
einer lebenswerten Welt. Schwer vorstellbar, dass ein junger Mensch
da nicht mitmachen wollte. Was indes Sorgen bereitet, ist die
wachsende soziale Kluft der Gesellschaft, die sich unter Jugendlichen
fortsetzt. Kinder aus sozial benachteiligten Familien sehen ihre
Zukunft deutlich düsterer. Auch das Interesse an politischen Themen
und sozialem Engagement ist unter diesen Jugendlichen klar geringer.
Die Shell-Studie zeigt erneut, dass Bildung und Schulabschluss die
Schlüssel sind zum Lebenserfolg. Diesen Befund muss die Politik als
Auftrag verstehen.
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