(ots) - Ilich RamÃrez Sánchez, genannt Carlos, der
Schakal, war der meist gesuchte Terrorist seiner Zeit. Mehr als 20
Jahre zog er mordend und Bomben legend durch die Welt. Bald kommt ein
Film über ihn in die Kinos. Im Rückblick sieht Carlos selbst seinen
größten Charakterfehler in mangelnder Härte: "Aufgrund meiner
Klassenzugehörigkeit war ich zu tolerant", sagte der venezolanische
Anwaltssohn in einem Exklusivgespräch in der neuen, am Donnerstag
erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins stern: "Wäre ich
Proletarier gewesen, wäre ich im Kampf härter gewesen. Manchmal darf
man nicht tolerant sein mit Dreckskerlen. Das ist alles. Das ist mein
größter Fehler."
Carlos sitzt seit 16 Jahren in einem französischen
Hochsicherheitsgefängnis. Der französische Regisseur Olivier Assayas
hat ein Meisterwerk über das Leben des Topterroristen gedreht. Sein
dokumentarischer Spielfilm "Carlos, der Schakal" war der meist
gefeierte Film der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes. Nur einer
teilt die Begeisterung nicht: der Porträtierte selbst. Carlos
versuchte, aus dem Gefängnis heraus gerichtlich gegen den Film
vorzugehen - vergebens.
Dem Regisseur hält er im stern-Interview mangelnde Faktentreue vor
- wobei man seine Interpretation historischer Ereignisse nicht in den
Geschichtsbüchern wieder finden wird. So beschuldigt er den deutschen
Terror-Aussteiger Hans-Joachim Klein, während der OPEC-Geiselnahme im
Jahr 1975 zwei Morde begangen zu haben, die gemeinhin der deutschen
Terroristin Gabriele Kröcher-Tiedemann zugeschrieben werden.
Die außergewöhnliche Schauspielleistung seines Landsmannes und
Namensvetters Edgar RamÃrez, der Carlos im Film verkörpert, lässt den
Terroristen unbeeindruckt: "Der Bursche wird noch Probleme bekommen",
droht der Top-Terrorist im stern. "Er hat vulgäre Sachen gemacht. Das
sieht man sehr ungern bei uns. Seinen Schwanz zu zeigen. Seinen
nackten Arsch. Für nichts und wieder nichts. Nicht notwendig, so
etwas."
Carlos selbst sieht sich nicht etwa als Terrorist oder
Massenmörder, sondern als Freiheitskämpfer: "Wie Lenin. Wie Stalin.
Wie Trotzki. Das sind professionelle Revolutionäre." Auch Osama Bin
Laden schätzt er als "großen Revolutionär" und "ehrbaren Mann". Nicht
einmal Carlos selbst kennt die genaue Anzahl seiner Opfer. "Das ist
schwierig zu beurteilen im Kampf", sagte er dem Magazin. "Weniger als
hundert Personen. Nicht mal hundert." Er bedauert keines seiner
Kommandos. Die Zahl der unschuldigen Opfer erscheint ihm
vernachlässigenswert: "Wenn man tötet, ist es normalerweise Mann
gegen Mann. Da sind unschuldige Opfer eher selten. Gut, was dann
unter meinem Kommando passierte, das ist eine andere Sache. Bei
Operationen unter meinem Kommando gab es unschuldige Opfer. Ich habe
sie nicht persönlich getötet. Ich habe sie im Gefängnis gezählt.
Vielleicht nicht mal zehn Prozent unschuldige Opfer. Auf über 1500
Opfer. Das ist nicht besonders viel."
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