PresseKat - Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum möglichen EU-Beitritt der Türkei

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum möglichen EU-Beitritt der Türkei

ID: 239544

(ots) - Immer wenn der künftige EU-Beitritt der Türkei
thematisiert wird, verbreiten sich Argwohn und Unbehagen. Die
Beitrittsgegner befürchten, die Türkei werde die EU überlasten, den
Islam exportieren und den Westen mit Millionen von Billigarbeitern
überlaufen. Sie fordern die EU auf, die türkische Mitgliedschaft zu
verhindern. Die Türkei, so meint zum Beispiel der Journalist Peter
Scholl-Latour, gehöre nicht in den abendländischen Kulturkreis und
somit nicht in die EU. Der avisierte Beitritt sei ein fataler Fehler.
All diese Aufregung lässt vergessen, dass die Türkei noch lange nicht
beitrittsfähig ist. Zwar will Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan
den EU-Beitritt möglichst bald erreichen, doch er steht erst am
Anfang. So lange die Türkei die Beitrittskriterien der EU nicht
erfüllt, darf sie nicht beitreten. Und diese Kriterien sind streng:
Polygamie, Folter, Ehrenmorde, Einschränkungen der Pressefreiheit und
Religionsfreiheit, Diskriminierung von Minderheiten, das türkische
Nord-Zypern, Demokratiedefizite oder die Leugnung des Völkermordes an
den Armeniern werden von der EU nicht toleriert. Erdogan hat die
Türkei auf einen revolutionären Reformkurs gebracht. Das Land ist im
Aufbruch, es will sich Europa energisch anpassen: Die Todesstrafe
wurde abgeschafft, die Folter verboten, Ehrenmorde für rechtswidrig
erklärt, die Justiz reformiert, die Lage der Kurden verbessert und
der Islamismus unterdrückt. Das Land krümmt sich, um beitrittsfähig
zu werden. Dabei sprechen durchaus mehrere Gründe - zumindest
langfristig - für den türkischen Beitritt: Eine moderne und
demokratische Türkei könnte zum Vorbild für andere muslimische Länder
werden und den Aufstieg der Fundamentalisten blockieren;
geostrategisch würde die Türkei weiterhin zum Westen gehören, und
zusätzlich könnte die dynamische türkische Wirtschaft den Handel mit




der EU vertiefen. All das wäre im gegenseitigen Interesse. Zur
»Überflutung« des Westens mit Billigarbeitern wird es nicht kommen,
da die türkische Wirtschaft zum Beitrittstermin stark und robust sein
müsste. Doch noch stellt sich die Beitrittsfrage nur im Konjunktiv.
Erst zwei der 35 Verhandlungskapitel wurden bisher zwischen Brüssel
und der Türkei abgeschlossen. 2009 kritisierte der
EU-Fortschrittsbericht Defizite bei der Meinungs- und Pressefreiheit,
bei Justizreform, Minderheitenschutz oder der Einschränkung von
Gewalt gegen Frauen. Obendrein bedrohe die Macht des Militärs die
Demokratie: In den vergangenen 40 Jahren hatte es immerhin drei
Militärputsche gegeben. So lange Justiz- und Polizeiwillkür
vorherrschen, kommt der Beitritt nicht in Frage; so lange der
Völkermord an den Armeniern und die Einheit Zyperns Tabuthemen
bleiben, ist Brüssel nicht zufrieden. Die Türkei muss sich noch sehr
lange anstrengen. Sie mag auf dem Weg nach Europa sein, angekommen
ist sie noch nicht.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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Datum: 08.08.2010 - 21:30 Uhr
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