(ots) - Ein Kommentar von Sven Gösmann:
Selbst eine Katastrophe solchen Ausmaßes wie der Tod von 19 jungen
Menschen auf der Duisburger Loveparade vermag es nicht, die
ritualisierten Abläufe unserer Gesellschaft für einen oder zwei Tage
aufzuhalten. Während Experten noch an der Identifizierung der letzten
Opfer arbeiten, entbrennt die Diskussion um Ursache und Verantwortung
für die Katastrophe. Zeit für Trauer? Unsere Gesellschaft nimmt sie
sich nicht mehr. Die Angehörigen, die Freunde, auch die vielen
Tausende, die lange mit dem in Duisburg Erlebten hadern werden - sie
müssen ihren eigenen Weg finden, abseits der öffentlichen Debatte.
Immerhin könnte es Trost spenden, wenn diejenigen, denen unsere
Gesellschaft durch Wahl oder Berufung Verantwortung zuweist, diese
annehmen würden. Davon sind Duisburgs Oberbürgermeister Adolf
Sauerland, sein Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe und
Vizepolizeipräsident Detlef von Schmeling aber weit entfernt.
Natürlich stehen diese drei unter ungeheurem Druck, dennoch wirft ihr
Verhalten nach der Katastrophe viele Fragen zu ihrem Verhalten vor
der Katastrophe auf. Niemand ist schuld, niemand hat etwas
vorhergesehen, das "Sicherheitskonzept war stichhaltig", wird
Sauerland nicht müde zu betonen. Bliebe also die Unvernunft der
Loveparade-Besucher, die sich nicht wie vorgesehen gesittet in einen
Tunnel pferchen ließen, sondern in Panik gerieten? Nein: 19 Tote, 342
Verletzte - da ist ein Konzept gerade nicht stichhaltig gewesen. Die
Ãœberforderung, die Sauerland und sein Sicherheitsdezernent Rabe
ausstrahlen, hat wahrscheinlich nicht erst mit der Katastrophe vom
Samstag begonnen. Sie muss schon bei der Vorbereitung der Parade eine
Rolle gespielt haben. Wie anders ist es zu erklären, dass
verlässliche Quellen aus Duisburger Stadtverwaltung wie
Sicherheitsapparat berichten, ihre intern geäußerten Bedenken seien
von der Stadtspitze vom Tisch gewischt worden, weil man sich nicht
mit einer Absage blamieren wollte? Eine
Unbedenklichkeitsbescheinigung besorgten sich die Stadtoberen und der
Veranstalter bei ihrem Gutachter Michael Schreckenberg, der Gelände
und Sicherheitskonzept für ausreichend erklärte. Gestern räumte er
ein, nach Papierlage geurteilt zu haben. Auf dem Gelände war er dafür
nie. Wenn der Essener Professor Schreckenberg, wie er über sich gern
verbreitet, Deutschlands führender Panikforscher ist, muss unsere
Hochschulen Panik über die Qualität ihres wissenschaftlichen
Personals ergreifen. Natürlich gilt es, nach dieser Katastrophe
besonnen zu handeln. Die Justiz soll in Ruhe ermitteln. Die Frage
nach persönlicher Schuld Einzelner ist noch zu klären. Die nach der
politischen Verantwortung aber ist für Oberbürgermeister Sauerland
und seinen Sicherheitsdezernenten Rabe bereits deutlich beantwortet.
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