PresseKat - Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hamburger Schulstreit

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hamburger Schulstreit

ID: 230435

(ots) - »Demokratisch wertvoll« - dieses Prädikat hat
der Hamburger Schulstreit allemal verdient. Auch ist er in vielerlei
Hinsicht lehrreich. Lehre 1: Schulpolitik braucht Nachhaltigkeit.
Strukturrefomen sind nur zu rechtfertigen, wenn ihr Nutzen über jeden
Zweifel erhaben ist. Bildungspolitik verlangt Augenmaß, gerade weil
sie Ländersache ist. Nirgendwo sonst kann eine Landesregierung ihre
Gestaltungskraft so sehr beweisen, aber eben auch so sehr
missbrauchen. Im schlimmsten Fall werden Schüler, Eltern und Lehrer
im Zyklus der Legislaturperioden Opfer politischen Wagemuts. Diesem
Wagemut erlag auch Schwarz-Grüne in Hamburg. Die These, dass längeres
gemeinsames Lernen automatisch zu mehr Bildungsgerechtigkeit führt,
reichte der Regierung, um die Einführung der Primarschule zu
begründen. Dabei gibt es kaum hinreichende Belege, wohl aber triftige
Gegenargumente. So wurde beim jüngsten Ländervergleich der
Schülerleistungen ausgerechnet Berlin als das ungerechteste
Bundesland ermittelt, obwohl dort die Grundschule sechs Jahre dauert.
Lehre 2: Schulreformen müssen erklärbar sein und erklärt werden. Zu
tiefgreifend können die Folgen für die Schüler und damit die Ängste
der Eltern sein. Hier hat Schwarz-Grün versagt. Entsprechend leicht
fiel es der Bürgerinitiative »Wir wollen lernen«, den Widerstand zu
formieren. Diesen Widerstand hat die Regierung dann auch noch viel zu
lange missachtet. Am Schluss ließ er sich nicht mehr stoppen. Lehre
3: Schule braucht Veränderung, Hamburg zum Trotz. Unstrittig ist,
dass das deutsche Bildungssystem, gerade im internationalen
Vergleich, ungerecht ist. Noch immer bestimmt die soziale Herkunft am
stärksten über den schulischen Erfolg. Erster Ansatzpunkt muss dabei
jedoch die individuelle Förderung jedes Kindes sein - ein Recht, das
übrigens seit 2006 im NRW-Schulgesetz festgeschrieben, aber längst




nicht erreicht ist. Auch hier ist viel von Hamburg zu lernen, denn
zur dortigen Schulreform soll ja auch die Einführung kleinerer
Klassen gehören. Das erfordert mehr Lehrer und wird viel Geld kosten.
Auch die Stadtteilschulen könnten angesichts der dahinsiechenden
Hauptschulen Modellcharakter für NRW bekommen. Alles in allem viel
Arbeit für die rot-grüne Minderheitsregierung. Schulministerin Sylvia
Löhrmann hat gestern prompt versprochen, es besser zu machen als die
Hamburger. Blumig sprach die Grüne vom »sanften Weg«. Das aber
verschleiert, dass ihre Pläne dazu angetan sind, die Schullandschaft
aus den Angeln zu heben. Sollen in fünf Jahren tatsächlich 30 Prozent
der weiterführenden Schulen in NRW Gemeinschaftsschulen sein,
erfordert das Veränderungen, wie sie nachhaltiger kaum sein könnten.
Nimmt man noch die geplante Wahlmöglichkeit der Schulen zwischen dem
Abitur nach acht (G8) und neun Jahren (G9) hinzu, muss Eltern
schulpflichtiger Kinder angst und bange werden. Politischer
Lernwille sieht anders aus. Noch scheint Hamburg weit weg für
Rot-Grün.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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Datum: 19.07.2010 - 20:30 Uhr
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