(ots) - Als der Bundestag vor einem Jahr, im Juni 2009,
das Patientenverfügungsgesetz beschloss, hatte Erika K. ihr langes
Leiden glücklicherweise hinter sich. Nach dem Urteil des
Bundesgerichtshofes vom Freitag lässt sich ein Sinn in diesem Leiden
nun wenigstens insofern erkennen, dass Angehörige Todkranker,
Pflegeeinrichtungen und Ärzte vielleicht ein bisschen mehr Sicherheit
haben, nach der schweren Entscheidung über die Fortführung oder
Absetzung lebenserhaltender Maßnahmen nicht auch noch vor Gericht
dafür bestraft zu werden. Rückblickend ist das fünf Jahre dauernde
Sterben der 76-Jährigen ein einziges Plädoyer für die
Selbstbestimmung auch in der letzten Lebensphase, also für eine auch
juristisch wasserdichte Patientenverfügung. Denn vermutlich einzig
die Sorge des Pflegeheims, anderenfalls belangt zu werden, machte die
Frau zum Objekt der Apparatemedizin. In mehrfacher Hinsicht prallte
in ihrem Fall bis über den Tod hinaus das Gefühl für Menschlichkeit
und Gerechtigkeit frontal auf das, was Pflegeheim und Justiz für
richtig hielten. Die damals 71-jährige Erika K. hatte ihre Kinder
wissen lassen, dass sie im Fall des Falles nicht »an den Schlauch«
wolle. Doch als sie tatsächlich nach einer Gehirnblutung ins Wachkoma
versank, vermochten weder Tochter und Sohn noch ihr Hausarzt die
Absetzung der Ernährung per Magensonde, die sie am Leben hielt,
durchzusetzen. Dass andererseits Erika K.s Zustand bei den Behandlern
offenbar nicht mehr den höchsten Stellenwert genoss, zeigt sich
darin, dass der Frau nach einem Bruch ein Arm gleich amputiert wurde,
statt ihn zu operieren: Sie brauche ihn ja nicht mehr, war die
Begründung im Krankenhaus. Aber warum nicht den Arm um jeden Preis
erhalten, wenn das doch für die Herz-Kreislauf-Funktion so
kompromisslos galt? Für den gesunden Menschenverstand schwer
nachvollziehbar ist es auch, weshalb - wenn schon jemand für den Tod
der alten Dame büßen sollte - zuletzt lediglich der Anwalt ihrer
Tochter wegen versuchten Totschlags verurteilt wurde, obwohl es die
Tochter war, die die Magensonde abgeschnitten hatte. Geht's um die
Vollendung einer Straftat, wie sie das Landgericht Fulda im April
2009 offenbar sah, ist im Regelfall der Ausführende zuvörderst dran.
Der nunmehr in höchster Instanz freigesprochene Medizinrechtler und
Patientenanwalt Wolfgang Putz hatte Erika K.s Tochter zwar dazu
geraten - aber eben »nur« das. Das Urteil des Bundesgerichtshofes ist
gut, weil es den Patientenwillen stärkt: Nein, an den Schlauch muss
niemand. Doch es gilt: Je klarer der letzte Wille in Sachen
Behandlungsende in der Patientenverfügung formuliert wird, wenn es
noch geht, desto sicherer ist, dass er nicht doch noch juristisch
untergraben wird, wenn es darauf ankommt.
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