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Landeszeitung Lüneburg: Kein Deich mehr ohne Ausbaureserve
Prof. Hans von Storch, Mitautor des zweiten Hamburger Klimaberichts: "Noch ist Zeit für die Anpassung"

ID: 1545341

(ots) - Von Joachim Zießler

Wie zutreffend waren die Prognosen aus dem ersten Hamburger
Klimabericht hinsichtlich der Klimaentwicklung in der Metropolregion
(MRH)? Prof. Dr. Hans von Storch: Zunächst mal muss man einschränken,
dass wir keine Vorhersagen treffen, sondern Szenarien als mögliche
Entwicklungen skizzieren - je nachdem, wie erfolgreich eine
Klimaschutzpolitik greift. Vergleicht man die Szenarien aus dem
ersten Hamburger Klimabericht von 2010 mit den aktuellen, zeigt sich,
dass diese konsistent waren. Wir mussten keine massiven Umdeutungen
vornehmen. Einzige Ausnahme: Ursprünglich hatten wir erwartet, dass
es in der Metropolregion Hamburg künftig im Winter nasser und im
Sommer trockener wird. Letzteres ist nicht mehr so klar, vielmehr ist
auch eine Zunahme der Niederschläge im Sommer möglich.

An welchen Punkten ist der Klimawandel bereits messbar? Prof. von
Storch: Robust geht dies vor allem anhand der Temperatur. Seit 1881
stiegen die Temperaturen in der Region um etwa 1,4 Grad, davon
entfallen 1,2 Grad auf die Zeit nach 1951. Dabei gibt es innerhalb
der Metropolregion eine breite Bandbreite, vor allem wegen der
Urbanisierung. Große Städte sind Hitzeinseln - dunkle Dächer und
Straßen absorbieren Sonnenstrahlung, der Wasserkreislauf ist
gemindert. An Trends verzeichnet der Klimabericht bereits eine
Zunahme der Niederschlagsmenge vor allem im Winter und eine
Verlängerung von Trockenperioden im Frühjahr - vergleicht man dies
mit den Werten von vor Jahrzehnten. Einen Nachweis für ganzjährig
stärkere Stürme gibt es dagegen bisher nicht.

Auf welche Temperaturen muss sich Hamburg städtebaulich
einstellen? Prof. von Storch: Vorbehaltlich der Frage, wie
erfolgreich die Klimaschutzpolitik umgesetzt wird, könnten sich die
Temperaturen in Hamburg und Umgebung bis Ende des Jahrhunderts im




Vergleich zu heute um ein bis fünf Grad erhöht haben. Sollte der
Klimapakt von Paris ein Erfolg werden, könnten sich die Verhältnisse
bis dahin stabilisiert haben. Scheitert Paris, geht der Wandel
weiter. Wird also jetzt in Hamburg etwas gebaut, was 80 Jahre
überdauern soll, sollte tunlichst der Klimawandel mit eingerechnet
werden, also Temperaturen, die um ein bis fünf Grad erhöht sind,
vermehrte Hitzetage in der Stadt und auch häufigerer Starkregen.

Hitze in den Häuserschluchten, eine verlängerte Pollensaison...
Prof. von Storch: ... das ist alles denkbar, zumal der erwähnte
Erwärmungseffekt der Stadt noch hinzu kommt. Würden wir die Stadt
weiter kompakt bauen, verstärken wir diese Effekte noch. Werden aber
die Dächer begrünt oder wenigstens in hellen Farben gebaut, der Grad
der Versiegelung verringert, wird für ausreichende
Verdunstungsflächen gesorgt und mehr Durchlüftung in den
Wohnvierteln, kann leicht gegengesteuert werden. Allerdings nicht in
einem Maße, das die anthropogene Erwärmung aufhebt. Wenn man die
Temperatur um 0,2 Grad senken könnte, wäre das schon eine starke
Leistung. Das sind schon Herausforderungen für Ingenieure und
Stadtplaner, hier rechne ich aber mit neuen Ideen.

Bleibt die Buche der Hauptbaum der hiesigen Wälder? Prof. von
Storch: Die Buche wird hier weiterhin die vorherrschende Baumart
bleiben. Allerdings sind die Wälder bei uns keine natürlichen
Ökosysteme, sondern werden gemanagt. Da hängt es dann von den
Entscheidungen der Förster ab. Derzeit sind die Wälder der Region
noch eine Kohlenstoffsenke, binden also mehr Kohlenstoff als bei
ihrer Verwertung freiwerden. Damit das so bleiben kann, sollten
wärmeresistentere Arten angepflanzt werden.

Müssen wir uns von der Lüneburger Heide verabschieden?  Prof. von
Storch: Zwar mögen die Setzlinge der Besenheide tatsächlich längere
Trockenperioden nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass die
Kulturlandschaft Heide so gemanagt wird, dass vergleichbare Biotope
auch in Zukunft erhalten bleiben. Mir ist allerdings nicht bekannt,
dass es aktuell Hinweise auf eine Gefährdung der Heide gibt.

Anders ist es beim Meeresspiegel, hier gibt es klare Daten eines
Anstiegs, etwa in der Lübecker Bucht. Müssen die Deiche an der Küste
aufgestockt werden? Prof. von Storch: Die Antwort ist abhängig davon,
von welchen Zeiträumen wir reden. Die 15 bis 20 Zentimeter Anstieg
des letzten Jahrhunderts konnten wir gut wegstecken. Auch künftig
wird sich das Wasser an den deutschen Küsten erwärmen und der
Meeresspiegel kann bis 2100 um weitere 20 bis 80 Zentimeter steigen.
Die in der Folge zu erwartenden, häufigeren leichten Sturmfluten
sollten wir bis 2050 gut managen können. Es ist also nicht
erforderlich, sofort mit dem Spaten loszulaufen. Es ist aber erstens
ratsam, weiter ein gutes Monitoring zu betreiben, also genau zu
beobachten, wie stark der Meeresspiegel ansteigt. Und zweitens
sollten bei Aus- oder Neubauten von Deichen Ausbaureserven mitgeplant
werden, d.h., die Deiche sollten breiter angelegt werden, als aktuell
nötig ist, um später gegebenenfalls noch in der Höhe draufsatteln zu
können. Noch haben wir in diesem Bereich Zeit für
Anpassungsmaßnahmen, wir müssen jetzt aber darauf achten, dass wir
uns für die Zukunft keine Möglichkeiten verbauen.

Berauben wir uns bisweilen selbst der Zeit, etwa indem wir
Überflutungsflächen bebauen... Prof. von Storch: Ganz genau.

... oder indem trotz der Möglichkeit steigender Elbepegel in der
Hafencity Millionen verbaut wurden? Prof. von Storch: Ich denke, in
der Hafencity ist dieser Faktor seriös mit eingerechnet worden. Es
dürfte aber nicht selten vorgekommen sein, dass anderswo aus einem
kurzfristigen Gewinnstreben heraus Flächen zur Bebauung freigegeben
wurden, die wir in der Zukunft eher als Überflutungsflächen
gebrauchen könnten. Aber wenn in solchen Gebieten schon ein Haus
gebaut wird, sollte man zumindest darunter eine Warft platzieren. An
Flüssen sollte vor weiterer Bebauung am Ufer genau erhoben werden, wo
denn Überflutungsgefahr besteht. Schließlich werden in Zukunft
Niederschläge an den Oberläufen der Flüsse vermutlich sehr viel
schneller durchrauschen, weil Niederschläge im Winter nicht mehr wie
noch vor einigen Jahren vor allem in Form von Schnee herunterkommen
und so den Flüssen nur langsam zugeführt werden.

Wird das Wattenmeer verschwinden oder lagert sich genügend
Sediment ab, um mit dem steigenden Meeresspiegel mitzuhalten? Prof.
von Storch: Das ist eine sehr berechtigte Frage, aber die Antwort ist
noch offen. Grundsätzlich gilt: Je langsamer der Meeresspiegel
ansteigt, desto eher kann das für das Wattenmeer gutgehen. Aber auch
hier gilt, sich nicht mit dem Blick in die Kristallkugel zu begnügen,
sondern festzustellen, wie jetzt die Lage ist. Ist die aktuelle
Entwicklung besorgniserregend? Sollte etwa das Worst-case-Szenario
des IPCC mit einem um einen Meter erhöhten Meeresspiegel eintreten,
könnte es eng werden für das Wattenmeer. Seit etwa 15 Jahren lässt
sich das Abschmelzen der großen Eisschilde auf Grönland und in der
Antarktis präziser über Satelliten messen. Es gibt optimistischere
und pessimistischere Szenarien, wie dieses Abschmelzen weitergeht.
Behalten die Pessimisten recht, ist es plausibel, dass die Zukunft
des Wattenmeers düster ist.

Schon jetzt holt HH sein Trinkwasser aus dem Grundwasser der
Region. Werden die Brunnen bei sinkenden Grundwasserspiegeln
versiegen? Prof. von Storch: Das halte ich für nicht sehr
wahrscheinlich, zumal wir im Winter erhöhte Niederschläge haben
werden.

Könnte die Nordsee eines der wenigen Gewinner-Meere des
Klimawandels sein? Prof. von Storch: Dann müsste erstmal geklärt
werden, was als Gewinn zu bezeichnen ist. Wenn sich die Erwärmung wie
erwartet vollzieht, wird sich das Artenspektrum verschieben.
Wärmeliebende Fischarten würden zuwandern, kälteliebende wie der
Kabeljau würden weiter Richtung Norden wandern. Es wird aber nicht so
sein, dass der Klimawandel die Nordsee in eine leblose Wasser-Wüste
verwandelt. Tatsächlich wirken extrem viele Faktoren auf die Meere
ein, bei weitem nicht nur der Klimawandel. Vor 20 Jahren etwa wurde
die Ostsee vor allem durch die Überdüngung belastet, resultierend
unter anderem aus dem Dünger der Felder, der vom Regen in die Flüsse
gewaschen worden war. Man darf nicht wegen der aktuellen
Konzentration auf den Klimawandel die Gesamtheit der Stressoren aus
dem Auge verlieren.

Vermutlich ist die Fischerei für die Fischbestände nach wie vor
der größere Stressor? Prof. von Storch: Bezogen auf die Ostsee würde
ich das für plausibel halten. Alarmistische Äußerungen, die
gravierende Änderungen in Ökosystem nur auf eine Ursache
zurückführen, können auch darin begründet sein, dass Wissenschaftler
in ihrem Ringen um Fördermittel bestrebt sind, die Wichtigkeit ihrer
Forschung besonders herauszustellen.



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Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
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Datum: 26.10.2017 - 18:11 Uhr
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