PresseKat - Diskrepanz zwischen Behandlungsbedarf und -kapazitäten

Diskrepanz zwischen Behandlungsbedarf und -kapazitäten

ID: 1542943

(ots) - Einen steten Aufwärtstrend weist die
Ärztestatistik der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) auf: Genau
82.774 Ärztinnen und Ärzte waren zum Stichtag 1. Oktober 2017 in
Bayern gemeldet - ein neuer Höchststand. "Der zunehmende Trend zur
ärztlichen Tätigkeit in Anstellung und in Teilzeit, zu größeren
Kooperationen oder Netzen, verbunden mit dem demografischen Wandel
und dem technologischen Fortschritt, verändern die
Versorgungslandschaft und damit die Patientenversorgung",
charakterisiert BLÄK-Präsident Dr. Max Kaplan vor dem 76. Bayerischen
Ärztetag in Rosenheim die Situation. "Prima vista" sehe es gut aus:
Um 2,2 Prozent hat sich die Zahl der bei der BLÄK gemeldeten Ärzte im
vergangenen Berichtsjahr erhöht. Das sind genau 1.757 Ärztinnen und
Ärzte mehr als noch im Vorjahr. Damit waren zum Stichtag 1. Oktober
im gesamten Freistaat 62.534 Ärztinnen und Ärzte tätig. Dennoch: "Wer
nur die leicht steigenden Arztzahlen in Bayern betrachtet,
verschließt die Augen vor der Realität. Tatsächlich tut sich eine
Diskrepanz zwischen Behandlungsbedarf und -kapazitäten immer weiter
auf", so der BLÄK-Präsident. "Schon heute klaffen bei der ärztlichen
Versorgung in vielen Regionen und Fachgebieten Lücken; nicht nur bei
den Hausärzten auf dem Land." So fehle es bspw. an Kinderärzten in
einigen Stadtteilen der Metropolregionen München oder Nürnberg aber
auch an weiteren Fachärzten. "Der demografische Wandel ist nicht
allein ein Thema auf Patientenseite, altert doch auch die Ärzteschaft
in Bayern mit", mahnt Kaplan. "Fast jeder vierte Niedergelassene und
jeder dritte Hausarzt wird vermutlich in den kommenden fünf Jahren
seine Praxis zusperren." Die Zahl der unter 35-Jährigen berufstätigen
Ärzte ist 2016/17 zwar erstmals wieder leicht gestiegen - allerdings
gerade einmal um 210 Ärzte (plus 1,9 Prozent). Gleichzeitig gab es




aber einen größeren Zuwachs in der Altersgruppe 60-Plus: Hier waren
542 Ärztinnen und Ärzte mehr tätig als im Vorjahr (plus 4,5 Prozent).

Anstellung in Praxen boomt

Das stärkste Phänomen betrifft die Zahl der angestellten Ärztinnen
und Ärzte im ambulanten Bereich, die unaufhörlich wächst. Mit einem
Plus von 11,7 Prozent auf 6.340 Ärztinnen und Ärzte hat sie im
vergangenen Jahr wieder einen neuen Rekord erreicht. So hat sich die
Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte in den Praxen seit 2007
(2.087) mehr als verdreifacht. Die Zahl der niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzte sank hingegen erneut leicht; und zwar um 0,8
Prozent auf 20.510 (Vorjahr: 20.673). Den Boom bei den angestellten
Ärztinnen und Ärzten in Praxen gelte es genau zu beobachten, denn
keinesfalls dürfe die Entwicklung dahin führen, dass freie
Vertragsarztsitze von Krankenkassen oder Klinikkonzernen aufgekauft
würden und die Ärzte dort angestellt tätig seien. "Vertragsarztsitze
gehören in die Hand von uns Ärztinnen und Ärzten; das ist ganz
entscheidend für unsere Versorgungslandschaft, für die Qualität der
Patientenversorgung und unser Selbstverständnis", ist Kaplan
überzeugt.

Funktionierende Notfallversorgung

In diesem Zusammenhang sei auch die Notfallversorgung ein
Topthema. "In der Notfallversorgung ist eine sektorenübergreifende,
koordinierte Versorgung notwendig, um eine bestmögliche Versorgung
von medizinischen Notfällen gewährleisten zu können", forderte
Kaplan. Notwendig sei eine intensive Kooperation zwischen den
Notaufnahmen in Kliniken und den vertragsärztlichen
Versorgungsstrukturen. Darüber hinaus bedürfe es eines verbesserten
Ausbaus der Kooperation mit den Arztnotrufzentralen, den Leitstellen
und Fahrdiensten. Notfall- beziehungsweise Bereitschaftspraxen
sollten an den dafür geeigneten Kliniken als Anlaufstellen geschaffen
werden. Im Rahmen des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes
könnten Patienten dort ambulant versorgt und bei Bedarf an die
stationären Notaufnahmen weitergeleitet werden. "Wir haben in Bayern
für die Notfallversorgung einen vernünftigen Weg angedacht, den man
konsequent weiterentwickeln und ausbauen sollte. Eine zusätzliche
Institution, wie das vom Sachverständigenrat angedachte 'Integrierte
Notfallzentrum', erübrigt sich", betonte der Präsident. Notwendig
seien vielmehr eindeutige und für die Patienten erkennbare Strukturen
und eine entsprechende Informationsoffensive mit dem Hinweis, dass
die meisten Notfälle in der Regelversorgung behandelt werden.
Außerhalb der Sprechzeiten sei der vertragsärztliche
Bereitschaftsdienst organisiert. "Ein zentraler Telefondienst als
erste Kontaktstelle, der unter ärztlicher Aufsicht steht, ist dabei
absolut sinnvoll", unterstrich der Präsident.

Zunehmende Arbeitsbelastung in Krankenhäusern

Ein weiteres Beispiel für die Diskrepanz zwischen
Behandlungsbedarf und -kapazitäten sei die Situation in den
Krankenhäusern. "In Krankenhäusern nimmt die Arbeitsverdichtung
aufgrund kürzerer Verweilzeiten stetig zu. Dazu kommen immer mehr
diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, eine steigende Zahl
polymorbider Patienten, unbesetzte Arztstellen im Krankenhaus sowie
mehr Ärztinnen und Ärzte, die in Teilzeit tätig sind", erklärte
Kaplan. Hinzu kämen Probleme in der Kommunikation aufgrund einer
steigenden Anzahl von Ärzten, die nicht über ausreichende
Deutschkenntnisse verfügten. So hätten die in den Kliniken tätigen
Ärzte oftmals nicht mehr ausreichend Zeit für die
Patientenversorgung. Hier müsse die Politik gegensteuern. Auch leide
die Qualität der ärztlichen Weiterbildung in den Kliniken, weil die
Weiterbildungsbefugten sich nicht mehr ausreichend um die sich in
Weiterbildung befindlichen Assistenzärzte kümmern könnten. "Wir
brauchen mehr Ärzte auch im stationären Bereich, wenn wir die
qualitativ hochwertige Patientenversorgung weiterhin gewährleisten
wollen", forderte Kaplan. Bei den Deutschkenntnissen habe die BLÄK
bereits gegengesteuert. Seit dem 1. April 2017 führt die BLÄK im
Auftrag der Bayerischen Staatsregierung Sprachtests auf dem
Sprachniveau C1 durch. "Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zu
einer besseren Kommunikation zwischen Patient und Arzt", sagte
Kaplan. Weiteres Verbesserungspotenzial sieht Kaplan auch bei den
beruflichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel in der Schaffung von
neuen Beschäftigungsmodellen, also der Möglichkeit von
Teilzeitstellen, Jobsharing-Modellen und flexiblen
Betreuungsangeboten.

Kooperationen angesagt

"Die Verknappung der 'Ressource Arzt' ist ein allgegenwärtiger
Trend", konstatiert Kaplan und nennt gleichzeitig zwei
Lösungsansätze: "Mehr Kooperationen sind angesagt - interdisziplinär,
interprofessionell und sektorenübergreifend und eine Erhöhung der
Medizinstudienplätze um mindestens zehn Prozent." Für die
langfristige Sicherstellung der medizinischen Versorgung seien Bund
und Länder aufgefordert, die Studienplatzkapazitäten auszubauen und
ausreichend zu finanzieren. "Es ist ein Unding, dass wir fünf
Bewerber auf einen Medizinstudienplatz haben, Aspiranten lange
Wartezeiten in Kauf nehmen oder in andere Gesundheitsfachberufe, die
sich sukzessive akademisieren, abwandern und wir gleichzeitig zu
wenig Ärztinnen und Ärzte in der Patientenversorgung haben."

Zu den kooperativen Versorgungsformen sagte der Präsident: "Wir
unterstützen die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen und
ebenso deren (Teil-)Akademisierung bei klaren Verantwortlichkeiten.
Professionalisierung heißt jedoch nicht Akademisierung um jeden
Preis", ist Kaplan überzeugt. Erfolgversprechend seien insbesondere
die Förderung der interprofessionellen Kooperation auf der Basis
vorhandener Kompetenzen und die Integration unterschiedlicher
beruflicher Kompetenzen in einem multiprofessionellen Team. Um den
Anforderungen gerecht zu werden, müsse sich die Zusammenarbeit
zwischen Disziplinen und Sektoren grundsätzlich verbessern. Der
Arztvorbehalt für die Diagnose- und Indikationsstellung, die
Therapieentscheidungen und die Gesamtverantwortung im Rahmen des
Behandlungsprozesses seien jedoch unverzichtbar, gerade bei immer
komplexer werdenden Versorgungsprozessen und -strukturen sowie aus
Gründen der Qualität und der Patientensicherheit. "Die Gesellschaft
steht vor einer Grundsatzentscheidung: Erhalt des bewährten
Gesundheitssystems mit dem Arzt als Garanten für Qualität und
Patientensicherheit oder Aufteilung der Heilkundeausübung und der
Schaffung von Parallelstrukturen mit den damit verbundenen Risiken
für die Patienten", gab Kaplan abschließend zu Bedenken.



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