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Badische Zeitung: Bürger und Datensicherheit: Fröhlich in die Unmündigkeit - Leitartikel von Chefredakteur Thomas Hauser

ID: 1000630

(ots) - Es gibt Themen, die sind zu groß für ein Jahr.
Die Energiewende ist ein solches. Aber die ist überschaubar im
Vergleich zu der Herausforderung, die sich im Umgang mit unseren
Daten abzeichnet. Skeptiker und Enthusiasten des weltweiten
Datennetzes und seinen erst in Ansätzen sichtbaren Möglichkeiten
stehen sich hier in einer aggressiven Sprachlosigkeit gegenüber und
blockieren dadurch einen dringend notwendigen Diskurs über die ewig
jungen Fragen: Was ist des Menschen Recht, und in welcher
Gesellschaft wollen wir leben? Was da, angestoßen durch die
Enthüllungen von Edward Snowden, an Abgründen und Fehlentwicklungen
sicht- und ahnbar wurde, darf freilich nicht auf die Frage reduziert
werden, ob man Freunde bespitzeln oder das Handy der Kanzlerin
abhört. Es geht auch um mehr als um die Herausforderung, vogelwilden
Geheimdiensten durch demokratisch legitimierte Regierungen Grenzen
zu setzen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Dass sich dahinter
eine noch größere Gefährdung des Rechts auf Privatheit und der
informationellen Selbstbestimmung verbergen dürfte, zeigt die
Intervention der großen amerikanischen Internetfirmen bei
US-Präsident Barack Obama. Die Firmen, so muss vermutet werden, sehen
sich durch die Geheimdienste in ihren Geschäften gestört, auch wenn
der Streit über sie derzeit davon ablenkt, dass der massenhafte
ökonomische Datenmissbrauch uns mindestens genauso beunruhigen
sollte, wie der politische. Zumal beide mit fadenscheinigen
Versprechen begründet werden. Die Politik mutet uns mit der
trügerischen Aussicht auf Sicherheit den Verzicht auf Freiheitsrechte
zu. Die Internetwirtschaft agiert da raffinierter. Sie bringt uns mit
verführerischen Dienstleistungen und der charmant verpackten Lüge,
dass es die kostenlos gebe, dazu, dass wir - quasi freiwillig -
unsere Daten preisgeben und uns so zum gläsernen Konsumenten machen.




Wohin driftet der stolze Bürger, der als Souverän darauf bestand,
seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen? Zum Konsumidioten, den
es mit immer neuen Produkten bei Laune und in Abhängigkeit zu halten
gilt und zum Sicherheitsrisiko, das der Staat permanent kontrollieren
muss. Wir amüsieren uns in die Unmündigkeit. Schlimmer noch: In den
Laboren basteln sie längst daran, den Menschen selbst auch noch zu
"optimieren". Da gerät das Grundprinzip der Demokratie in Gefahr,
nach dem jede Macht der Kontrolle bedarf. Der verniedlichende Begriff
Postdemokratie könnte auch von Big Brother erfunden worden sein.
Polemik? Man muss die Dinge manchmal zur Kenntlichkeit zuspitzen.
Damit es nicht soweit kommt. Denn was Geheimdienste wie
Internetwirtschaft derzeit mit uns treiben, ist, dass sie uns
Dienstleistungen gegen die Preisgabe unserer Daten verkaufen. Ob
Preis und Leistung in einem angemessenen Verhältnis stehen oder das
ganze Geschäft nicht sogar sittenwidrig ist, lässt sich freilich
nicht beurteilen. Wir wissen schlicht nicht, was mit den Daten
geschieht, wie sie aufbereitet und mit wem sie geteilt werden. Das
Gemeinwesen aber wehrt sich nicht gegen die versuchte Ausplünderung
seiner Rechte. Und die von den Bürgern gewählte Politik betritt
zögernd, tastend ein Neuland, in dem derzeit das Recht des Stärkeren,
Clevereren und Schnelleren gilt. Vonnöten wäre eine europäische
Strategie. Wenn es dafür nicht bereits zu spät ist. Es geht um
fundamental wirtschaftsstrategische Fragen, um
Technologiesouveränität. Und es geht darum, ob die großen Chancen,
die das weltweite Netz gewiss bietet, demokratisch erschlossen oder
von Oligopolen ausgebeutet werden. Es ist also auch ein Wettstreit
der Kulturen. Wollen wir eine marktkonforme Demokratie oder einen
demokratiekonformen Markt? Eine soziale Marktwirtschaft in einem
demokratisch gesetzten Ordnungsrahmen eben.



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Anselm Bußhoff
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Von Lothar Leuschen
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Datum: 30.12.2013 - 18:27 Uhr
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