(ots) - Im Sinne des Rechtsstaats
Der Strafprozess gegen Jörg Kachelmann hinterlässt viele Verlierer
- der Rechtsstaat gehört nicht dazu. Ein Dreivierteljahr hat das
Landgericht Mannheim versucht, sich der Wahrheit zu nähern. Es musste
bei einer Annäherung bleiben, weil widersprüchliche Zeugenaussagen
und gegensätzliche Gutachten kein klares Bild ergaben.
Die fünf Richter taten deshalb das einzig Richtige: Unbeeindruckt
vom medialen Feuerwerk, wendeten sie die goldene Regel des
Rechtsstaats an, nach der im Zweifel für den Angeklagten zu
entscheiden ist. Natürlich ist es quälend, dass sich der Vorwurf der
sexuellen Gewalt nicht klären lässt. Es bleibt das Restrisiko,
womöglich einen Vergewaltiger verschont zu haben. Die Alternative
aber, einen Menschen auf Verdacht ins Gefängnis zu schicken, kann es
in einem Rechtsstaat nicht geben.
Blamiert haben sich im Fall Kachelmann die Mannheimer
Staatsanwaltschaft und ein großer Teil der deutschen Medien. Die
Ankläger legten sich voreilig fest und ermittelten einseitig. Damit
verletzten sie schlicht ihren gesetzlichen Auftrag. Denn die
Strafprozessordnung verpflichtet die Behörde, Belastendes wie
Entlastendes zu sammeln. Viele Medien wiederum ließen im Laufe des
Verfahrens jede Rücksicht auf das Privatleben der Beteiligten fahren.
In dieser Hinsicht wird der Kachelmann-Prozess als abschreckendes
Beispiel in die Justizgeschichte eingehen, aus dem Juristen wie
Journalisten lernen sollten.
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