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WESTERWELLE-Interview für die „SuperIllu“

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WESTERWELLE-Interview für die „SuperIllu“

(pressrelations) - Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der „SuperIllu“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten JOCHEN WOLFF und DIRK BALLER:

Frage: Im Herbst 1989 waren Sie 27 Jahre alt, Jura-Student und stellvertretender FDP-Kreisvorsitzender in Bonn. Wie fremd waren Ihnen Ostdeutschland und die Ostdeutschen damals?

WESTERWELLE: Gar nicht. Meine Großeltern mütterlicherseits lebten vor dem Krieg eine Zeit lang in Sachsen-Anhalt. In Köthen ist auch meine Mutter geboren. Wenn wir als Kinder vom Campingurlaub an der Nordsee erzählt haben, hat meine Großmutter davon geschwärmt, wie schön die Bäder an der Ostsee waren, wo sie die Sommer ihrer Jugend verbracht hat.

Frage: Haben Sie auch mal die DDR besucht?

WESTERWELLE: Ich war als Vorsitzender der „Jungen Liberalen“ zu einem offiziellen Besuch da und erinnere mich noch, wie ich mit einem Fahrzeug aus dem Fuhrpark der FDJ abgeholt wurde. Um ein bisschen Konversation zu machen, sagte ich zu dem etwa gleichaltrigen Fahrer: „Und das ist also der berühmte Trabbi?!“ Da drehte sich der Kraftfahrer um und sagte: „Das ist doch kein Trabbi, das ist ein Wartburg – taugt aber ooch nüscht…“ Er hatte sich wohl vorher gerade geärgert.

Frage: Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?

WESTERWELLE: Das war eines der drei historischen Ereignisse meines Lebens, die ich weitgehend vorm Fernseher verbracht habe – neben dem 30. September 1989 mit Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft und dem August-Putsch 1991 gegen Gorbatschow, als sich Jelzin auf dem Panzer den Putschisten entgegengestellt hat. Der Mauerfall traf uns alle mit einer überraschenden Wucht; mir liefen Schauder über den Rücken und Tränen über die Wangen.

Frage: Haben Sie sich dann bald selber ein Bild gemacht?

WESTERWELLE: Ich habe mich 1990, noch vor der staatlichen Einheit, in meinen kleinen Golf gesetzt und bin alleine erst nach Berlin gefahren und von dort aus – die Erzählungen meiner Großmutter haben mich neugierig gemacht– über Neubrandenburg bis hinauf nach Sassnitz, zu den Kreidefelsen – eine unvergessliche Reise.





Frage: Und die Deutsche Einheit haben Sie uneingeschränkt begrüßt?

WESTERWELLE: Ja. Als Vorsitzender der Jungen Liberalen in den 80-er Jahren war ich geprägt von älteren Parteifreunden wie Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff oder Wolfgang Mischnick, die ihre Wurzeln in der damaligen DDR hatten. Für uns Junge Liberale zählte das Streiten für die Deutsche Einheit zur Staatsräson, auch wenn wir deshalb bei den Achtundsechzigern als Spießer und als Ewiggestrige gegolten haben.

Frage: Hypothetische Frage: Wäre es damals mit einer rot-grünen Bundesregierung auch zur Einheit gekommen?

WESTERWELLE: Mit dem damaligen rot-grünen Personal – den Herren Lafontaine, Schröder und Fischer – wohl nicht. Mit einem Mann wie Willy Brandt als prägende Kraft garantiert auch. Man darf nicht vergessen: Willy Brandts Wort „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ richtete sich ja weder an Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher noch an das deutsche Volk im Allgemeinen, sondern als Mahnung an seine eigene Partei.

Frage: Wie sehen Sie das heute: War die DDR ein Unrechtsstaat ¬– oder ein Staat, in dem auch Unrecht geschah, der aber auch seine guten Seiten hatte?

WESTERWELLE: Ein Staat ist entweder ein Rechtsstaat oder ein Unrechtsstaat ¬– dazwischen gibt es nichts. Genauso, wie man nicht ein bisschen schwanger sein kann, kann man auch nicht ein bisschen Rechtsstaat sein. Die DDR war kein Rechtsstaat, weil sie die Würde des Einzelnen vor der politischen Willkür nicht geschützt hat in dem Moment, wo der Einzelne etwas anders wollte als der Staat. Wer aufgemuckt hat, wurde drangsaliert oder gar verhaftet. Wer nichts anderes wollte, als sich innerhalb Deutschlands frei zu bewegen, musste damit rechnen, an der Mauer erschossen zu werden. Dass man das vergisst, ärgert mich: Die Mauer ist kein cooles Graffiti-Kulturdenkmal, sondern Zeichen einer Unterdrückung. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Menschen in der damaligen DDR genauso geliebt, gearbeitet und gefeiert haben und vieles wie die beachtliche Kulturszene sehr wertvoll war.

Frage: Viele unserer Leser fühlen sich persönlich getroffen, wenn man ihnen sagt, sie hätten in einem Unrechtsstaat gelebt.

WESTERWELLE: Die Frage ist doch: Waren die Menschen, die damals in der DDR gelebt haben, verantwortlich für diesen Unrechtsstaat? Das kann man für die Allermeisten verneinen. Keiner aus dem Westen sollte heute leichtfertig behaupten, er wäre in der DDR garantiert ein Widerstandskämpfer gewesen. Das würde ich jedenfalls für mich selbst nicht ohne weiteres behaupten, und ich bin wirklich ein in der Wolle gefärbter Liberaler. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich in der DDR groß geworden wäre…

Frage: Sie akzeptieren auch, wenn man in der DDR Karriere machen wollte und sich einer Blockpartei angeschlossen hat?

WESTERWELLE: Das Wort Blockpartei ist eine ziemlich propagandistische West-Erfindung. Dass Menschen beispielsweise in der LDPD gewesen sind, um sich im Schutze dieser Partei vor der SED abzuschirmen, finde ich nachvollziehbar. Deshalb akzeptiere ich nur das Kriterium der persönlichen Schuld und Verantwortung. Ich kenne auch frühere SED-Mitglieder, die heute grundanständig für unser Gemeinwesen kämpfen. Die Gleichung: Jeder, der in jungen Jahren in der SED war, war automatisch ein Täter, ist falsch.

Frage: Das Ansehen der Marktwirtschaft ist im Osten auf einem Tiefpunkt, aber die FDP mit elf Prozent in unserer Politikumfrage auf dem Höhenflug. Wie erklären sie sich das?

WESTERWELLE: Weil wir die Partei des Mittelstandes, der Mittelschicht und der sozialen Marktwirtschaft sind. Die Mehrheit der Deutschen ist nicht reich und nicht arm, sondern die normale Mittelschicht, die sich den Buckel krumm arbeitet und sich trotzdem das Leben in diesem Land nicht mehr leisten kann. Deren Interessen werden nur noch von der FDP wahrgenommen.

Frage: Ist denn die Marktwirtschaft am Ende?

WESTERWELLE: Nein, die soziale Marktwirtschaft ist geradezu am Anfang. Und sie ist ein Exportschlager, wenn man sieht, dass Barack Obama im Kern gerade solche Überlegungen anstellt. Am Ende ist dagegen der Neokonservativismus, der mit der Präsidentschaft von Herrn Bush in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Frage: Der Ruf nach einem starken Staat wird lauter, auch Bundespräsident Horst Köhler hat ihn in seiner „Berliner Rede“ erhoben…

WESTERWELLE: Auch ich bin für einen starken Staat – für einen Staat, der sich auf seine Hoheitsaufgaben konzentriert, statt sich in alle möglichen Privatbereiche einzumischen. Ein Staat, der sich beim Rauchverbot um die Vermessung der Rauchkringel kümmert, aber bei der Bankenaufsicht trotz größter Bürokratie versagt, ist ein schwacher Staat.

Frage: Jetzt ist ein Staat gefordert, der sich aktiv gegen die Wirtschaftskrise stemmt, Massenarbeitslosigkeit verhindert. Was sind ihre Rezepte?

WESTERWELLE: Sie können hundert staatliche Konjunkturprogramme beschließen - solange die privaten Investitionen, die in Deutschland 90 Prozent der Investitionen insgesamt ausmachen, abgewürgt werden, weil die Menschen die Lust auf Leistung durch zu viel Bürokratie, Steuern und Abgaben verlieren, wird das nichts nutzen. Nur wenn die Bürger dauerhaft entlastet werden, können wir wieder eine gute Konjunktur bekommen. Nur wenn der Mittelstand wieder befreit von ideologischen Genehmigungsbremsen investieren kann, haben wir neue Aussicht auf Arbeits- und Ausbildungsplätze. Der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Frage: Besteht bei den Steuern überhaupt noch Spielraum nach unten?

WESTERWELLE: Richtig ist: Die Große Koalition hat in fetten Jahren mit bester Konjunktur nicht für die mageren Jahre vorgesorgt, sondern im Gegenteil immer neue Schulden angehäuft, obwohl sie die Steuern erhöht hat wie noch keine Regierung zuvor. Deshalb wird das erste, was wir nach einer Regierungsübernahme tun werden, ein Kassensturz sein. Ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem ist und bleibt die Mutter aller Reformen. Wenn es uns nur gelingen würde, durch faire Steuern zehn oder 20 Prozent aus der Schwarzarbeit in die reguläre Wirtschaft zu holen, dann würden die Staatsfinanzen nur so sprudeln. Denn was dem einen sein Monaco, ist dem anderen die Schwarzarbeit.

Frage: Wäre das für Sie auch Grundvoraussetzung für eine Koalition?

WESTERWELLE: Ohne die Vereinbarung eines fairen Steuersystems werde ich einen Koalitionsvertrag nicht unterschreiben.

Frage: Das könnte aber auch heißen: Im Herbst 2009 vereinbaren, und in Kraft tritt es dann irgendwann, wenn wir es uns wieder leisten können…

WESTERWELLE: Wenn wir am 27. September 2009 Bundestagswahl haben, kann ich doch nicht versprechen, dass zum 1. Januar 2010 alles schon gesetzgeberisch in trockenen Tüchern ist. Aber klar ist: Wir werden nicht zulassen, dass die Entlastung der Bürger auf die lange Bank geschoben wird.

Frage: Trotz Ausweitung des Kurzarbeitergeldes rechnen Experten bis Ende 2009 mit bis zu 1,5 Millionen mehr Arbeitslosen. Reichen die Maßnahmen der Bundesregierung?

WESTERWELLE: Die Kurzarbeiterregelung ist vernünftig, um auch mal etwas Positives zur Regierung zu sagen. Nur: Wenn die Konjunktur nicht bald wieder anspringt, ist die Kurzarbeit bloß die Vorstufe zur Arbeitslosigkeit. Deshalb gilt auch hier: Wir müssen private Investitionen in Milliardenhöhe zum Beispiel in der Energiewirtschaft ermöglichen, die bislang aus ideologischen Gründen blockiert sind.

Frage: Auch Hartz IV wird zum Wahlkampf-Thema: »Linke« und Grüne wollen die Bedarfssätze deutlich aufstocken. Ist das überhaupt drin?

WESTERWELLE: Die Anpassung dieser Sätze folgt schon jetzt dem Lebensstandard. Bevor mehr Geld in den Sozialstaat gesteckt werden kann, müssen wir erst einmal über die Entlastung derjenigen nachdenken, die das alles erarbeiten.

Frage: Würden Sie Opel helfen?

WESTERWELLE: Die Frage stellt sich erst, wenn ein Konzept für eine unabhängige europäische Firma Opel vorliegt, wenn sichergestellt ist, dass wir nicht Staatsgelder zu GM nach Amerika schleusen – und wenn ein privater Investor einzusteigen bereit ist. Wer heute schon einen Blankoscheck für Opel ausstellt, wie es der Bundesarbeitsminister getan hat, nimmt erstens die Interessen der Steuerzahler nicht wahr und schadet zweitens den Beschäftigten bei Opel. Denn der Druck wird dadurch von GM genommen, überhaupt erst eine eigenständige europäische Lösung für Opel zuzulassen.

Frage: Beschränkung von Managergehältern – sinnvoll, möglich?

WESTERWELLE: Wo der Staat in einer Firma drin ist, trägt er natürlich auch Verantwortung für das Gehaltsgefüge. Ich wundere mich, dass dieselben SPD-Minister, die gesetzliche Beschränkungen der Managergehälter fordern, dort, wo der Staat Eigentümer oder Teileigentümer ist, im Aufsichtsrat alles durchwinken lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Pensionszahlungen für Herrn Zumwinkel nicht auch Thema zumindest eines Ausschusses des Aufsichtsrates der Post AG waren, und da ist auch die Bundesregierung vertreten.

Frage: Warum jetzt ein Untersuchungsausschuss zur Beinahe-Pleitebank HRE?

WESTERWELLE: Bei der HRE wird das Risiko für den Steuerzahler inzwischen auf 235 Milliarden Euro geschätzt – fast so viel wie der gesamte Bundeshaushalt. Wir wollen mit dem Ausschuss verhindern, dass sich so etwas wiederholen kann. Alles gerettet und Deutschland pleite – das kann es ja wohl nicht sein!

Frage: Wie wahrscheinlich und wie wünschenswert wäre es für Sie, dass wir nach dem 27. September eine schwarz-gelbe Bundesregierung bekommen?

WESTERWELLE: Das ist überwiegend wahrscheinlich und außerdem meine Wunsch-Formation.

Frage: Eine rot-gelb-grüne Ampel schließen sie kategorisch aus?

WESTERWELLE: Ich halte eine Ampel nach Lage der Dinge für ausgeschlossen und zitiere ausnahmsweise Oskar Lafontaine, auch wenn es mich schüttelt: „SPD und Grüne schreiben Punkt für Punkt unsere Forderungen ab und sagen, sie wollen das mit Herrn Westerwelle durchsetzen. Das ist lustig.“


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Datum: 30.03.2009 - 13:21 Uhr
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