PresseKat - Fehlendes Kinderbewusstsein kann sich die Gesellschaft nicht mehr leisten / DGSPJ fordert Bürger zu

Fehlendes Kinderbewusstsein kann sich die Gesellschaft nicht mehr leisten / DGSPJ fordert Bürger zum Hinschauen und Politik zum Handeln auf

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(ots) - Natur- und Umweltbewusstsein sind
hierzulande im Denken und Handeln vieler Menschen fest verankert. Ein
vergleichbares Kinderbewusstsein ist dagegen noch kaum sichtbar.
Damit dürfe man sich aber nicht weiter abfinden, mahnt die Deutsche
Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ).

Woran macht sich das fehlende Kinderbewusstsein fest? Zum Beispiel
daran, dass schon seit längerer Zeit fast jedes fünfte Kind der unter
Dreijährigen in Deutschland in Armut leben muss. Das ist für die
DGSPJ nicht weiter tolerabel. Oder daran, dass jedes siebte Kind
keine verlässliche Beziehung in der frühen Kindheit zu einer
Bezugsperson aufbauen kann. Oder auch an den ca. 70.000 "verlorenen
Kindern", die in jedem Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen, weil
sie nicht in verlässlichen Beziehungen aufwachsen konnten. Schuld am
fehlenden Kinderbewusstsein seien aber nicht nur die unzureichenden
Lebensbedingungen vieler Kinder, für die die Politik verantwortlich
ist, kritisiert Dr. Andreas Oberle, Ärztlicher Direktor des
Sozialpädiatrischen Zentrum des Olgahospitals im Klinikum Stuttgart.
Vielmehr müsse jeder Einzelne und damit die Gesellschaft als Ganzes
mit Nachdruck daran arbeiten, bei allen Handlungen und Entscheidungen
die Interessen von Kindern und die Kinder selbst im Auge zu haben.

Geschieht dies nicht, können die Folgen fatal sein, wie das
folgende erschütternde Beispiel einer Mutter zeigt, die in einer
persönlichen Ausnahme- und Überforderungssituation ihr Kind in
Stuttgart von einer Brücke in den Neckar geworfen hatte. In den
Zeitungsberichten war zu lesen, dass sie gewartet habe, bis ein
Fahrradfahrer die Brücke verlassen hatte. Wahrscheinlich hatten die
Mutter und ihr 4 Jahre altes Mädchen zuvor in weitere Gesichter
geschaut, die aber wohl alle ebenfalls - vielleicht mit einem unguten




Gefühl - weitergefahren sind. "Ein ungutes Gefühl nehmen wir oft
nicht besonders ernst und schauen aus Unsicherheit eher weg, gerade
wenn es um Kinder geht", beobachtet Dr. Theodor Michael, ärztlicher
Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums für chronisch kranke Kinder
an der Charité in Berlin, immer wieder. Gerade bei Kindern könne man
allerdings häufig nur schwer auf den ersten Blick beurteilen, was
noch unauffällig, grenzwertig oder schon bedenklich ist."

"Kinderbewusstsein - was Kinder wirklich brauchen" war der Titel
eines Festvortrages auf einem großen Kinderärztekongress, mit dem der
renommierte Entwicklungsneurologe Prof. Remo Largo aus Zürich die
Fachwelt aufgerüttelt hat. Dazu gehören für Largo eine
vertrauensvolle Umgebung mit konstanten Bezugspersonen, geeignete
Wohnbedingungen und auch frühe und adäquate Förderungen durch
qualifizierte Fachkräfte in den Kitas. Vor allem aber setzt ein
Kinderbewusstsein Menschen voraus, die hinschauen, Haltung zeigen und
sich einmischen, wenn dies - wie bei der Mutter auf der Brücke -
notwendig ist.

Doch das alles wird allein nicht ausreichen, solange Kinderrechte
nicht auch gesetzlich verankert werden. Ein neuer Artikel 2a im
Grundgesetz der Bundesrepublik, der die Rechte auf Förderung, Schutz
und Beteiligung sowie den Vorrang des Kindeswohls bei allem
staatlichen Handeln festschreibt, würde die Position von Kindern als
eigenständige und gleichberechtigte Grundrechtsträger erheblich
aufwerten, meint Andreas Oberle. Denn im Alltag sei es eben nicht
selbstverständlich, dass alle Kinder Träger der Grundrechte unserer
Verfassung sind, wie Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger fälschlicherweise meint. Es müssten weit
mehr als die rund 100 Kinderbeauftragten eingesetzt werden, die
bisher im Bund, den Ländern und den Kommunen aktiv sind, fordert
Theodor Michael. Zusammen mit anderen großen wissenschaftlichen
Gesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin fordert die DGSPJ zudem
dringend einen Kinderbeauftragten im Deutschen Bundestag. Erst alle
Maßnahmen zusammen würden hierzulande nach Ansicht der Sozialpädiater
ein Kinderbewusstsein schaffen, vom dem man derzeit noch weit
entfernt ist. Deshalb sei es dringend erforderlich, das Thema gerade
auch im bevorstehenden Bundestagswahlkampf zu besetzen, um so die
Politiker in Zugzwang zu bringen. Denn fehlendes Kinderbewusstsein
wird sich die Gesellschaft angesichts von immer mehr alten Menschen
und immer weniger Kindern nicht mehr leisten können.

Literatur bei den Autoren



Pressekontakt:
Dr. Andreas Oberle
A.Oberle(at)klinikum-stuttgart.de
Dr. Theodor Michael
Theodor.michael(at)charite.de


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Datum: 30.11.2012 - 08:46 Uhr
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