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BERLINER MORGENPOST: Deutscher Vordergrund - Leitartikel

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(ots) - Fast 20 Prozent der in der Bundesrepublik lebenden
Einwohner, mehr als 15 Millionen Menschen, haben einen
"Migrationshintergrund". Im Sprachgebrauch wird dieser Begriff meist
dann benutzt, wenn man darauf aufmerksam machen möchte, dass die so
beschriebene Person oder ihre Familie nach 1950 in die Bundesrepublik
eingewandert ist und möglicherweise eine Menge Probleme mit ins Land
geschleppt hat. Die Vokabel vernebelt mehr, als sie klärt. Die
türkischstämmige Frauenrechtlerin Seyran Ates hat sich vor Kurzem ein
T-Shirt drucken lassen, auf dessen Rückseite in Versalien
"Migrationshintergrund" zu lesen ist. Und vorne: "Deutscher
Vordergrund". Damit wollte sie ihre ganz private Existenz in der
Bundesrepublik beschreiben; gleichzeitig hat sie mit dieser Idee
nicht nur die Lebenswirklichkeit von Millionen Einwanderern
beschrieben, sondern auch eine wichtige Aufgabe formuliert. Denn die
Frage, welches Ergebnis die Integration von Einwanderern in
Deutschland haben soll, ist trotz aller Gipfeltreffen,
Talkshow-Debatten und Bücher zum Thema nicht hinreichend geklärt.
Fürs Erste hat man parteiübergreifendes Einvernehmen erzielt, dass
das Erlernen der deutschen Sprache ein wichtiges Instrument der
Integration sei. Diese bahnbrechende Erkenntnis wird im Moment mit
einer flächendeckenden Werbekampagne unters Volk gebracht: "Raus mit
der Sprache. Rein ins Leben". Gut, Deutsch lernen, klar. Und dann?
Wer einen unverstellten Blick in die islamisch geprägten
Parallelwelten des heutigen Deutschlands riskieren will, dem sei das
gerade erschienene Buch "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener
Jude" empfohlen. Der Israeli Arye Sharuz Shalicar beschreibt darin
seine Jugend im Berliner Wedding der 90er-Jahre - und eine Juden- und
Deutschenfeindlichkeit, die einem den Atem verschlägt. Weder Lehrer
noch Sozialarbeiter oder Polizisten konnten diesen




Abschottungsprozess einer ganzen Generation von türkischen und
arabischen Einwanderern aufhalten. Die deutsche Sprache war nicht das
Problem. Shalicar wurde auf Deutsch als "Scheiß-Jude" beschimpft. Und
weil es auch für deutschstämmige Schüler immer schwerer wird, in
solcher Umgebung zu bestehen, ist es auch keine Ausnahme, dass sie
sich inzwischen auf ihre Weise im Wedding integrieren: Auch wenn sie
es besser könnten, sprechen immer mehr deutsche Schüler dort jenes
"Türkendeutsch", das mehr Beleidigungen kennt als Verben. Der kleine
Bruder eines alten deutschen Freundes im Wedding, berichtet Shalicar,
besuche inzwischen zweimal wöchentlich ein Sonnenstudio, um sich nun
auch äußerlich seinen Schulfreunden anzuverwandeln. Es gibt leider
immer mehr Orte, in denen der deutsche Vordergrund in den Hintergrund
rückt. Dieser deutsche Vordergrund besteht in der Achtung
zivilgesellschaftlicher, demokratischer Regeln, der Verteidigung von
Menschenrechten, der Freiheit von Andersdenkenden. Nennen wir es
ruhig die Akzeptanz westlicher Werte. Wo sie verschwinden, kann man
als Einwanderer nicht mehr ankommen, sondern höchstens noch
ausbrechen.



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Datum: 02.11.2010 - 21:39 Uhr
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