PresseKat - Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesverkehrsminister Dobrindt Rechtsbeugung im Diesel-Abgasskandal vor

Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesverkehrsminister Dobrindt Rechtsbeugung im Diesel-Abgasskandal vor

ID: 1350849

(ots) - Verkehrsministerium ignoriert EU Verordnung
692/2008, die das Funktionieren der Diesel-Abgasreinigung auch bei
tiefen Minustemperaturen (bis - 15 Grad Celsius) festlegt -
KBA-Prüfbericht zeigt eindrucksvoll, wie die Autokonzerne der
Bundesregierung die Hand führen - DUH-Temperaturanalyse für das Jahr
2015 zeigt: Opel Zafira Diesel verpesten zu 81 Prozent der
Jahresstunden in Wiesbaden und Mercedes C-Klasse BlueTec zu 49
Prozent der Jahresstunden in Stuttgart die Luft wegen aktivierter
Abschalteinrichtung - DUH intensiviert eigenes Testprogramm zu realen
Straßenwerten und Funktionsweise der illegalen Abschalteinrichtungen
trotz fortgesetzten Bedrohungen durch die Autokonzerne

Am 22. April 2016 hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt
den Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen" vorgelegt,
welche den Abgasskandal aufarbeiten und anhand von Messungen durch
das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bewerten soll. Die Deutsche
Umwelthilfe (DUH) hat den Bericht analysiert und eine Vielzahl an
Fehlern sowie Hinweise auf dem Ministerium vorliegende, aber auf
Druck der Automobilindustrie unveröffentlichte, weitere Fakten
gefunden. Die DUH stellt daher heute (28.4.2016) einen formellen
Antrag auf Übermittlung der Originalprüfprotokolle.

Nach eingehender Analyse kommt die Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation zu dem Ergebnis, dass
Bundesverkehrsminister Dobrindt alle eigenen und auch sonstigen
Erkenntnisse zu illegalen Abschalteinrichtungen systematisch
ignoriert, weitere Testergebnisse unter Verschluss hält und die für
die Bewertung unverzichtbaren CO2-Werte nicht veröffentlicht. Mit
Ausnahme der von den US-Umweltbehörden enttarnten betrügerischen
VW-Diesel sowie eines Fiat kommt Dobrindt zum Ergebnis, dass alle
anderen untersuchten Fahrzeuge rechtlich nicht beanstandet werden
können, obwohl er gleichzeitig festhält, dass alle diese Fahrzeuge




über Abschalteinrichtungen verfügen. Allerdings akzeptiert er in
allen Fällen die Argumentation der Autokonzerne, diese Abschaltung
selbst bei Temperaturen unterhalb von +10 Grad (Mercedes) oder gar
+17 Grad (Opel) seien legal.

Dobrindt hält in seinem Prüfbericht die von der Automobilindustrie
vertretene Argumentation für plausibel, es seien nur die
Prüfbedingungen der für die Typzulassung durchzuführenden
Labormessungen (+20 bis +30 Grad Celsius) relevant und ignoriert
dabei eine rechtlich bindende Vorschrift aus der EU Verordnung
692/2008, welche die Verordnung 715/2007 ergänzt bzw. ändert und die
Betriebsbedingungen des Abgasnachbehandlungssystems eindeutig regelt.
Dort heißt es:

"Der Hersteller muss gewährleisten, dass das
Emissionsminderungssystem unter allen auf dem Gebiet der Europäischen
Union regelmäßig anzutreffenden Umgebungsbedingungen und insbesondere
bei niedrigen Umgebungstemperaturen seine Emissionsminderungsfunktion
erfüllt." Für die Temperatur von -15 Grad Celsius schreibt die
Verordnung sogar spezielle Tests vor und schließt, dass eben auch bei
dieser niedrigen Temperatur "das Emissionsminderungssystem
ordnungsgemäß arbeiten kann."

"Verkehrsminister Dobrindt beugt das Recht, wenn er Diesel-Pkw,
die zu mehr als 80 Prozent der Jahresstunden ohne funktionierende
Abgasreinigung unterwegs sind, als legal einstuft und damit Millionen
betroffene Autohalter im Abgasdunst alleine lässt. In der EU wie in
den USA besagen die Vorschriften, dass Bremsen oder
Abgaskatalysatoren auch bei tiefen Minustemperaturen funktionieren
müssen", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Ohne Skrupel
lässt sich der Verkehrsminister einmal mehr von den Autobossen die
Hand führen, so dass derselbe Tatbestand in den USA zur Einleitung
neuer Ermittlungen durch das Justizministerium gegen Daimler führt,
in Deutschland die Vergiftung der Atemluft hingegen für legal erklärt
wird."

Resch erklärt, die DUH werde ihre Untersuchungen auf die von Herrn
Dobrindt unterlassene Untersuchung über die genaue Funktionsweise der
temperaturgesteuerten aber auch auf die, die Prüfsituation
erkennenden Abschalteinrichtungen ausdehnen - trotz fortgesetzter
massiver Bedrohungen und juristischer Schritte der Autobauer.

Die DUH und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages
haben kürzlich Rechtsgutachten zu Abschalteinrichtungen vorgelegt.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der das Gutachten im Auftrag der DUH
erstellt hat, kritisiert:

"Die rechtliche Bewertung des Ministeriums will uns für dumm
verkaufen. Begründungslos wird behauptet, dass es dem
Ausnahmetatbestand des Motorschutzes an "rechtsstaatlicher
Bestimmtheit mangelt" (S. 122). Man bemüht sich noch nicht einmal,
dafür eine tragfähige Begründung zu finden. Selbst wenn dies richtig
wäre, hätte es zur Konsequenz, dass der Ausnahmetatbestand nicht
angewendet werden könnte: Eine rechtsstaatswidrig unbestimmte Norm
kann keine Geltung beanspruchen. Im Ergebnis könnten sich die
Autohersteller gerade nicht auf die Ausnahme berufen."

Klinger weiter: "Ebenso begründungslos wird behauptet, dass eine
Berufung auf den Motorschutz schon gerechtfertigt ist, wenn dies von
Seiten eines Fahrzeugherstellers "nachvollziehbar dargestellt wird"
(S. 123). Eine Überprüfung der Argumente durch die Behörde habe dann
zu unterbleiben. Dies ist absurd. Auch in Verfahren mit der
Automobilindustrie gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Er verpflichtet
die Behörden, eigene Untersuchungen anzustellen oder zu beauftragen.
Würde dieser Maßstab zukünftig auch im Steuerrecht gelten, müsste ich
einen Steuerbetrug nur noch "nachvollziehbar darstellen", um jegliche
weitere Untersuchungen der Steuerbehörden zu unterbinden. Die
rechtliche Bewertung bewegt sich auf dem Niveau einer durchgefallenen
Studentenarbeit. Simple rechtliche Denkansätze werden missachtet. Die
vorliegenden Gutachten, u.a. des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages, die zu ganz anderen rechtlichen Ergebnissen kommen,
werden noch nicht einmal erwähnt. Einem Ministerium ist dies
unwürdig."

Um die Folgen der Stickoxid-Überschreitungen für die Fahrzeuge
Mercedes BlueTec und Opel Zafira verständlich zu machen, hat die DUH
beispielhaft die Temperaturen in den Städten Stuttgart und Wiesbaden
für das Jahr 2015 ausgewertet. Die Analyse macht deutlich: Opel
Zafira Diesel verpesten zu 81 Prozent der Jahresstunden in Wiesbaden
und Mercedes C-Klasse BlueTec zu 49 Prozent der Jahresstunden in
Stuttgart die Luft wegen aktivierter Abschalteinrichtung.

Hintergrund:

Die DUH hat am 2.2.2016 in einer Pressemitteilung zum ersten Mal
darauf hingewiesen, dass die Abgasreinigung bei einer Mercedes
C-Klasse 220 CDi BlueTec bei niedrigeren Prüftemperaturen nicht
funktioniert. Sie stützte sich dabei auf den Bericht des
niederländischen Prüfinstituts TNO, das die hohen Überschreitungen
der NOx-Emissionen bei diesem Fahrzeug gemessen hatte. Inzwischen
haben Daimler und weitere Hersteller eingeräumt, Abschalteinrichtung
zu verwenden, die bei teilweise nur wenigen Grad Celsius unter bzw.
oberhalb der Prüfraumtemperatur die Abgasreinigung verringern.

Links: Grafik zu Stundenanteil unterhalb 10/17 Grad in Stuttgart
und Wiesbaden: http://l.duh.de/xr9aq

Das Rechtsgutachten der DUH zu Abschalteinrichtungen:
http://l.duh.de/xr9aq

Das Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages zu Abschalteinrichtungen: http://l.duh.de/col6b

Kontakt:
Jürgen Resch | DUH-Bundesgeschäftsführer
0171 3649170 | resch(at)duh.de

Prof. Remo Klinger | Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger
0171 2435458| klinger(at)geulen.de



Pressekontakt:
DUH-Pressestelle:
Daniel Hufeisen | Ann-Kathrin Marggraf | Laura Holzäpfel |
030 2400867-20 | presse(at)duh.de www.duh.de |
www.twitter.com/umwelthilfe | www.facebook.com/umwelthilfe


Themen in dieser Pressemitteilung:


Unternehmensinformation / Kurzprofil:
drucken  als PDF  an Freund senden  Badische Zeitung: Neuer BND-Präsident / Eine Aufgabe für Sisyphos
Kommentar von Thomas Fricker Redaktionsnetzwerk Deutschland: AfD-Vorsitzende Petry bekommt zwei neue Sprecher
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 28.04.2016 - 12:51 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1350849
Anzahl Zeichen: 8706

Kontakt-Informationen:
Stadt:

Berlin



Kategorie:

Innenpolitik



Diese Pressemitteilung wurde bisher 0 mal aufgerufen.


Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesverkehrsminister Dobrindt Rechtsbeugung im Diesel-Abgasskandal vor"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

Deutsche Umwelthilfe e.V. (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).


Alle Meldungen von Deutsche Umwelthilfe e.V.