(ots) - Es liegen anstrengende Tage hinter der Berliner
SPD, es wurde viel geredet, taktiert und Delegiertenstimmen gezählt:
Doch seit dieser Woche ist klar, dass die Machtfrage in der SPD und
damit die Frage, wer Nachfolger des Regierenden Bürgermeisters Klaus
Wowereit werden könnte, wieder vertagt ist. Denn der
SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh machte doch einen Rückzieher: Er
wird auf dem Parteitag am 17. Mai nicht gegen den SPD-Landeschef Jan
Stöß antreten. Anstatt die seit Langem schwelende Machtfrage zu
klären, geht die Partei uneins, ja, tief in zwei Lager gespalten in
die nächsten zwei Jahre bis zur Abgeordnetenhauswahl 2016.
Der schlimme Zustand der Berliner SPD liegt auch an Klaus
Wowereit. Er ist seit 2001 Regierender Bürgermeister - also seit rund
13 Jahren. Er hat lange mit Michael Müller, der Fraktions- und
Landeschef war, zusammengearbeitet, die Sozialdemokraten angeführt
und auch zu Wahlerfolgen geführt. Manch einer dachte, Müller wäre ein
möglicher, wenn auch wenig charismatischer Nachfolger Wowereits. Doch
nach dem Desaster beim Flughafen BER ist die Zustimmung der Berliner
zu Wowereit dramatisch gesunken, Müller wurde schließlich von Saleh
und Stöß gemeinsam als SPD-Chef gestürzt. Und weil Wowereit sich all
die Jahre nicht um einen kraftvollen Nachfolger bemüht hat, verhakt
sich die Berliner SPD nun seit Wochen in der Auseinandersetzung
zwischen Stöß und Saleh - die aber beide ihre eigene Partei nicht von
sich überzeugen können, denn sonst gebe es jetzt eine satte Mehrheit
für den einen oder den anderen.
So einigt sich die SPD mal wieder auf einen Burgfrieden - mit
wenig Frieden und zwei Männern, die diese Burg einnehmen wollen.
Saleh geht nach den letzten Wochen als Verlierer vom Platz, Stöß wird
auf dem Parteitag wahrscheinlich mit 60 bis 70 Prozent Zustimmung
wieder gewählt - ein Sieg für ihn, aber kein strahlender. Und wenn
man den Parteistrategen glauben darf, verständigt sich die Berliner
SPD darauf, den nächsten Spitzenkandidaten, also Wowereits möglichen
Nachfolger, in einer Urwahl zu bestimmen. Bei einer solchen
Urabstimmung aber würde die Partei erneut in zwei Lager gespalten,
ginge zerstritten in die Wahl, und das mit einem erschöpften
Spitzenkandidaten, der schon in der eigenen Partei wahlkämpfen
musste.
Das freut im Jahr 2016 nur einen: den politischen Gegner.
Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/127449890
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